Der BV 1921 Stift Quernheim hat jetzt einen neuen Kunstrasenplatz. Weil der alte in die Jahre gekommen war, entschied sich die ostwestfälische Gemeinde Kirchlengern dafür, ihrem Fußballverein eine Generalüberholung zu finanzieren. Anfang August, zum Beginn der neuen Saison, konnten die Arbeiten abgeschlossen werden.
Die Sanierung war aus einem zweiten Grund fällig: Der bisherige Platz nutzte Gummigranulat als Füllmaterial, und das zählt zu den maßgeblichen Quellen von Mikroplastik, das sich in der Natur ausbreitet. Deshalb müssen laut EU-Beschluss alle Fußballplätze umgerüstet werden. So setzt der BV 1921 Stift Quernheim seit ein paar Wochen auf das Füllmaterial Quarzsand. Das ist nachhaltiger.
Immer mehr Rasen wird durch Kunstrasen ersetzt
Etwa 65.000 Fußballplätze gibt es in der Bundesrepublik. Laut dem Deutschen Fußballverband bestehen mehr als 5000 von ihnen aus Kunstrasen; andere Studien schätzen die Zahl auf höher als 9000. Die Vorteile liegen auf der Hand: Das Material muss nicht gemäht werden, ist robuster, pflegeleicht und auch dann bespielbar, wenn Naturrasen matschig wird oder einfriert.
Doch die Synthetik hat ihre Grenzen. Um das Sprung- und Rollverhalten des Balles sowie die Dämpfung beim Laufen so gut wie möglich einem Naturrasen nachzuempfinden, braucht es ein sogenanntes Einstreugranulat zwischen den Plastikhalmen. Vier bis sieben Kilogramm müssen es pro Quadratmeter sein. Das heißt: Rechnet man nur mit der Mindestfüllmenge, kommen – bei der internationalen Normgröße eines Platzes von 105 mal 68 Metern – mehr als 28 Tonnen Granulat zusammen. Pro Feld.
16.000 Tonnen Mikroplastik landen in der Natur
42.000 Tonnen Mikroplastik, das Produkten zugesetzt wird, landen laut EU Jahr für Jahr in Natur, Flüssen und Meeren. Allein 16.000 Tonnen davon sollen von Fußballplätzen stammen. Beim Spielen werden die Kleinstteile an den Rand der Plätze und darüber hinausgeschoben, Wind und Regen tragen ihr Übriges bei. Ein anderer Kritikpunkt: Während Naturrasen im Sommer kühlend wirkt, speichert der Kunststoff die Hitze der Sonnenstrahlen. Bis zu 70 Grad Celsius kann so ein Platz warm werden, berichten Sportler – was wiederum dazu führt, dass auch die Luft darüber noch wärmer wird. Um die Temperaturen wieder runterzubringen, bewässern Vereine die Plastikfelder.
Trotzdem ist die Ökobilanz nicht so eindeutig, wie man vermuten könnte. Bei einem wissenschaftlichen Vergleich zwischen Kunst und Natur kam die Uni Zürich zu einem ausgeglichenen Ergebnis. Während die Plastikhalme vor allem bei Herstellung und Entsorgung schlecht abschneiden, weil durch diese Prozesse Treibhausgase entstehen, ist Gras in der Pflege ökologisch weniger nachhaltig – und es kann übers Jahr gesehen weniger bespielt werden.
Geraspelte Olivenkerne, geschredderte Maisstrünke
Es gibt viele Versuche, die Emissionen der Mikroteile zu verhindern. Zum einen kann Sand das sogenannte Infill aus Plastik ersetzen. Möglich sind auch geraspelte Olivenkerne, geschredderte Maisstrünke, Holzschnitzel und Kork. Zum anderen gibt es Filteranlagen, die Partikel auffangen und umliegende Gewässer so schützen. Fachleute sagen zudem, dass es künftig Plätze geben könnte, die ganz ohne Einstreugranulat auskommen. Allerdings kann sich das längst nicht jeder Verein leisten. Bis 2031 haben sie noch Zeit, sich über eine Alternative Gedanken zu machen. Dann werden zwar nicht die Kunstplätze verboten, aber der Verkauf von Plastikgranulat. So hat es die EU bereits vor zwei Jahren entschieden.
In der Bundesliga der Männer setzen die meisten Platzwarte auf Hybrid: einen Naturrasen, angereichert mit wenigen Prozent Kunststoffhalmen. Nachhaltig ist diese Mischung aber nicht. Am Ende der Lebenszeit ist es sehr aufwendig, beide Stoffe sortenrein voneinander zu trennen.