Er ist das Symbol des Klimawandels - und spätestens mit Knut ist er vielen ans Herz gewachsen: der Eisbär, der als ein Musterbeispiel für Anpassungsfähigkeit gilt. Denn innerhalb von kürzester Zeit soll sich das vom Braunbär abstammende Tier an die Kälte gewöhnt haben, so die bis jetzt gängige Annahme. Doch nun ist dies als Mythos enttarnt. Denn: Den Eisbären gibt es schon viel länger als gedacht.
Die Tiere lebten bereits vor etwa 600.000 Jahren und sind damit etwa vier- bis fünfmal so alt wie bisher vermutet. Das hat ein internationales Team um die Frankfurter Wissenschaftler Frank Hailer und Axel Janke herausgefunden. Die Forscher haben das Erbgut von Braun- und Eisbären mit einer genaueren Methode als bislang geschehen verglichen. Ihre Studie präsentieren sie im Fachjournal "Science".
Eisbären und Braunbären sind eng verwandt, irgendwann hat sich der Eisbär als eigene Art vom Braunbär abgespalten. Das ist bekannt - umstritten war bislang jedoch, wann das geschah. Nach vorangegangenen Analysen lebte der letzte gemeinsame Vorfahr vor etwa 111.000 bis 166.000 Jahren.
Früher Spalter
"Die Forscher stützten damals ihre Ergebnisse allein auf DNA aus den Mitochondrien", erklären die beiden Mitarbeiter des Frankfurter Biodiversität und Klima Forschungszentrums. Mitochondrien, die Kraftwerke in den Zellen, werden nur von der Mutter vererbt. Die Frankfurter Forscher haben nun viele unabhängige Stücke aus der DNA des Zellkerns analysiert.
Damit sei nun erstmals belegt, worüber vorher nur spekuliert wurde: "Der Eisbär hat sich bereits vor circa 600.000 Jahren vom Braunbär abgespalten", heißt es in der Studie. Das kratzt allerdings auch am Bild des Eisbären als Anpassungs-Wunder: "Mit der neuen Datierung ihrer Evolution ist dieser Mythos vom besonders anpassungsfähigen Eisbär nun widerlegt."
Da die Arktis sich durch den Klimawandel schnell verändert, bleibt dem Eisbären viel weniger Zeit als bei früheren Veränderungen des Erdklimas, um sich an die neue Lebenssituation anzupassen. Und das könnte angesichts der Studienergebnisse auch zu wenig sein.
Wie aber kamen frühere Studien zu einem so viel jüngeren Alter? "Anscheinend haben sich beide Arten im Lauf der Zeit mehrmals miteinander gepaart", erklärt Axel Janke, der Leiter der Forschungsgruppe. Dadurch seien Teile der Braunbär-DNA an Eisbären vererbt worden - und gerade diese Stücke seien später vermutlich zur Untersuchung herangezogen worden