Der als schwimmender Hollywoodstar berühmt gewordene Killerwal Keiko muss in Norwegen ernsthaft um sein Leben fürchten. In großer Aufmachung berichteten die Osloer Medien über Forderungen heimischer Walexperten, den seit dem Wochenende im Skålvikfjord an der Westküste herumschwimmenden Hauptdarsteller aus der Filmserie »Free Willy« als Gefahr für dort badende Menschen sowie die Lachszucht zu erschießen oder einzuschläfern. Dabei wird auch darauf verwiesen, dass der an Fütterung gewöhnte Schwertwal sich nicht selbst ernähren könne.
Wal wird noch nicht eingeschläfert
Der Sprecher des norwegischen Fischereiministeriums, beeilte sich wohl nicht zuletzt mit Blick auf Norwegens international höchst umstrittene Jagd auf Zwergwale, im Rundfunk die Aufregung über den von Island nach Norwegen geschwommenen Meeressäuger zu dämpfen: »Der Wal wird von uns nicht eingeschläfert. Wir sind aber in engem Kontakt mit seinen Betreuern und werden in den nächsten Tagen entscheiden, was passieren soll.«
Aufwendige Auswilderung
Der 26 Jahre alte Wal war nach zwei Jahrzehnten Gefangenschaft mit einem beispiellos aufwendigen, aber wenig erfolgreichen Auswilderungsprojekt vor Island auf ein zweites Leben im freien Ozean vorbereitet worden. Nach seinem Umzug in norwegische Gefilde suchte der 5,6 Tonnen schwere Wal im idyllisch gelegenen Skålvikfjord sofort den Kontakt zu Fischern in ihren Booten sowie badenden Kindern, wobei es Keiko nach Aussage aller Experten vor allem um die Aussicht auf Fressen und weniger um menschliche Zuwendung ging.
Keiko so berühmt wie Mette-Marit
Letzteres wiederum war den aus aller Welt herbeigeeilten TV-Teams einerlei, die entzückt ihre Bilder und Filme vom berühmtesten Wal der Welt seit Moby Dick nach Hause funkten. Begeistert äußerte sich auch der örtliche Fremdenverkehrsverband in Halsa, weil seit Prinzessin Mette-Marit niemand mehr so viele Schaulustige angelockt habe. Walforscher Nils Øien vom Meeresforschungs-Institut Bergen kann da nur mit dem Kopf schütteln. »Die ganze Keiko-Geschichte ist mehr oder weniger Irrsinn«, meinte der Biologe in der Zeitung »Aftenposten«. Keiko werde den Winter in dem norwegischen Fjord wohl kaum überleben, und man solle ihn deshalb besser gleich einschläfern.
Bedrohung für die Zuchtfische
Bei seinem Vorschlag denkt der Experte nicht nur an die mangelnde Fähigkeit des an menschliche Versorgung gewöhnten Tieres. Von den umliegenden Anlagen für Zuchtlachs wird bereits Futterverweigerung der durch die Nähe des Killerwals extrem gestressten Fische gemeldet. Auch Keikos niedlich anzuschauende Spielereien mit badenden Kindern lässt Walkennern eher das Haupthaar zu Berge stehen. »Wer kann denn mit Sicherheit sagen, dass dieses Tier nicht plötzlich zum Angriff übergeht?« fragt Walfänger Ole Myklebust und verlangt, dass der Wal erschossen wird. Das schließt der zuständige Abteilungsleiter Johan Williams im Fischereiministerium mit nicht zu überhörendem Sarkasmus aus: »Erstens ist das verboten. Außerdem können wir doch nicht jedes Tier erschießen, dass ohnehin eines natürlichen Todes sterben wird.«
»Schwerer Rückschritt«
Keikos Betreuerteam aus den USA ist über die Aktivitäten ihres jüngsten Schützlings alles andere als glücklich, der sich wieder mit »Riesenflossenschlägen« in Richtung Abhängigkeit von Menschen begeben hat. »Ein schwerer Rückschritt«, seufzte der Meeresbiologe Fernando Ugarte. Mit den norwegischen Behörden soll nun ausgehandelt werden, ob Keiko mit Hilfe von Lockfutter wieder nach Island zurückgelotst oder in einem abseits gelegenen norwegischen Fjord isoliert wird.