Es schien unmöglich, dass die USA sich auf konkrete Reduktionsziele einlassen würden. Erst recht nicht auf jene, die von der EU favorisiert wurden. Aufgrund des UN-Klimaberichts (IPCC 2007) hatte sich die Europäische Union festgelegt, die Erderwärmung auf noch beherrschbare zwei Grad zu begrenzen. Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte die G8 auf dieses Ziel einschwören. Sie hatte versprochen, sich auf keine faulen Kompromisse einzulassen. Doch im gleichen Atemzug merkte sie noch vergangenen Samstag an, dass sie dieses Ziel für unrealistisch hielt. Der Grund: In einem vorab bekannt gewordenen europäischen Entwurf für die diesjährige Abschlusserklärung zur Klimapolitik der G8-Staaten lässt sich detailliert nachlesen, welche Passagen die USA gerne gestrichen und abgeändert hätten. Dort heißt es im Einstiegskommentar der USA:
"Die US-Regierung hat weiterhin fundamentale Bedenken in Bezug auf die Erklärung. [...] Der Umgang mit dem Klimawandel läuft unserer Positionen zuwider und überschreitet vielfach Grenzen. [...] Unsere Kommentare und Begründungen finden sich weiter unten im Dokument. Wir haben versucht, behutsam [zu streichen], aber können nur bis zu einem bestimmten Punkt gehen, angesichts unserer fundamentalen Gegenposition zur deutschen Position. [Deutsche Vorschläge zur Bekämpfung des Klimawandels und zum Kohlendioxid-Handel] sind mit dem Ansatz des Präsidenten zum Klimaschutz unvereinbar."
Im folgenden Entwurf sind jegliche Prozent- und Jahresangaben durchgestrichen. Auch dass bis zum Jahr 2050 der Treibhausgas-Ausstoß um 50 Prozent reduziert werden soll, wurde ausdrücklich an mehreren Stellen gestrichen und so als nicht verhandelbar gekennzeichnet. Nun gab Bush dem internationalen Druck nach und ermöglichte überraschend einen Minimal-Kompromiss. Die Reduktion um 50 Prozent solle mit Hinweis auf den IPCC-Klimabericht 2007 "ernsthaft in Erwägung" gezogen werden. Bush erkennt damit erstmals die wissenschaftliche Gültigkeit des UN-Berichtes an. Endlich.
Rückzieher jederzeit möglich
Für die Weltgemeinschaft wäre diese Abschlusserklärung ein Signal in die richtige Richtung. Solange aber die Worte "ernsthaft in Erwägung" nicht durch ein "wird umgesetzt" getauscht wurden, solange bleibt die Erklärung vage genug, dass die Bush-Regierung jederzeit einen Rückzieher machen kann. Und das wird geschehen, solange nicht alles nach seiner Vorstellung läuft. Zum Beispiel sollen laut Bushs eigenem Klimaschutzplan erst die energiehungrigsten sieben Schwellenländer von China bis Indien auf Klimaschutzziele eingeschworen werden. Und das in Verhandlungen bis Ende 2008 - dem Ende seiner Amtszeit. Einer, der kurz davor steht, in den Ruhestand zu gehen, kann nicht ernsthaft Verhandlungen mit Aussicht auf Erfolg führen.
Der Kompromiss klingt, als wolle er sich zum Ende seiner Amtszeit noch einmal beliebt machen, um sich dann aus der Affäre zu ziehen. Gleichzeitig ist er eine Verzögerungstaktik: Denn was spricht dagegen, schon jetzt beim G8-Gipfel zu verhandeln, wo doch schon alle 15 wichtigen Länder geladen sind?
Auch Deutschland nur auf eigenen Vorteil bedacht
Enttäuschend ist, dass dieser Kompromiss laut Angela Merkel der größtmögliche war. Die Kanzlerin kann ihn sich dennoch zu Recht als Erfolg auf die Fahnen schreiben. Dass sie nicht mit mehr gerechnet hat, passt zu ihrer eigenen Haltung. Sie versteht sehr gut, dass jedes Land bei einer gemeinsamen Erklärung auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist. Sie selbst hat im Gespräch mit Kanadas Ministerpräsident Stephen Harper am vergangenen Montag auf eine für Deutschland vorteilhafte Regelung gepocht. Die Kanzlerin will die Emissionen bis 2020 um 20 Prozent gegenüber 1990 reduzieren - wohlgemerkt nicht gegenüber 2006. Alleine durch den Zusammenbruch der Schwerindustrie in den ostdeutschen Ländern nach 1990 hat Deutschland schon einen guten Teil der Reduktion von 20 Prozent erreicht. Würde der Startwert nach Kanadas Wunsch auf 2006 vorverlegt, wäre dieser Vorsprung nichtig.
Es gibt nur eine gerechte Lösung. Der Startwert müsste für jedes Land auf den Zeitraum mit dem höchsten Treibhausgasausstoß gesetzt werden. Und Ost- und Westdeutschland müssten dabei getrennt behandelt werden, denn der Westen hat in den letzten Jahren den überwiegenden Treibhausgasausstoß verursacht. Die ostdeutschen Länder könnten argumentieren wie China: Warum sollen wir die Emissionen zurückfahren, wenn Ihr im Westen in letzter Zeit viel mehr Emissionen hattet und an der Erwärmung die größere Schuld tragt?
Diese Fragen gerecht zu regeln wird Aufgabe des Kioto-Nachfolgeprotokolls sein. In der G8-Abschlusserklärung soll festgelegt werden, dass Kioto-II bis spätestens 2009 ausgehandelt wird, bevor es Kioto-I zum Ende 2012 ablöst. In dem Klimaschutzprotokoll müssen dann mit konkreten Zielen und Grenzwerten alle energiehungrigen Länder unter einen Hut gebracht werden. Das scheint nach den Neuwahlen in den USA 2008 gut möglich.