Erst verschwand die Flugzeugpiste mit dem Treibeis, dann versank fast die gesamte Forschungsstation im Wasser: Tagelang mussten zwölf russische Nordpol-Forscher auf einer auseinander brechenden Eisscholle bei minus 35 Grad ausharren - bis Hubschrauber die Männer am Samstag von ihrer Basis retteten. Die beiden russischen Schwerlast-Hubschrauber vom Typ Mi-8 und Mi-26 trafen am Nachmittag bei der 800 Kilometer vor Spitzbergen treibenden Station "Nordpol-32" ein.
"Das Wasser hat alles verschluckt."
"Wir nehmen unsere Leute mit. Sonst ist nichts mehr da. Das Wasser hat alles verschluckt", berichtete der Leiter der Rettungsaktion, Leonid Bogdanow. Experten sprachen von einer "bislang einmaligen Rettungsaktion". Die Hubschrauber mussten bei schwierigsten Wetterbedingungen und fast vollständiger Dunkelheit insgesamt 1600 Kilometer zurücklegen und wurden am Samstagabend zurück auf Spitzbergen erwartet.
Mit ihrem Gewicht von 7 beziehungsweise 26 Tonnen durften die Helikopter nicht auf dem Eis landen. Die Hubschrauber mussten knapp über dem Boden schweben und so die Forscher sowie die beiden Stations-Hunde an Bord nehmen, die bei den letzten verbliebenen Containern auf ihre Rettung gewartet hatten.
Keine Lebensgefahr
Auf dem Eis brauchte niemand der Kälte-Enthusiasten um sein Leben fürchten. "Die Stimmung ist gut. Wir sind alle gesund. Schade nur um die Verluste. Immerhin haben wir unsere Forschungsresultate gesichert", berichtete Stationsleiter Wladimir Koschelew vor der Rettungsaktion am Telefon.
Die Notsituation kam für die seit fast einem Jahr um den Nordpol treibenden Forscher nicht überraschend. Starker Eisdruck und die Nähe zu wärmeren Gewässern ließen die Station "Nordpol-32" Stück für Stück auseinander brechen. Erst verabschiedete sich im Januar die auf meterdickem Packeis errichtete Landebahn für Polarflugzeuge. Am vergangenen Mittwoch brachen dann die meisten der insgesamt 16 Container ein, darunter auch die Garage für die Schneemobile, die Mini-Sauna und das Laboratorium.
Forschung an den Auswirkungen der globalen Klimaerwärmung
Im April vergangenen Jahres hatten der 1951 geborene Arzt und Wissenschaftler Koschelew die alte Tradition der Nordpol-Forschung wieder aufleben lassen. Koschelew zählt zu den erfahrensten russischen Arktisforschern; mehr als 25 Jahre verbrachte er nördlich des Polarkreises. Die Mission forschte an den Auswirkungen der globalen Klimaerwärmung.
Zu Sowjetzeiten tummelten sich zeitweise mehr als 2000 Menschen auf den Stationen im Ewigen Eis. Die meisten Forschungsprojekte waren streng geheim. Im Kalten Krieg erforschten die Supermächte die Arktis als Einsatzgebiet für einen möglichen Atomkrieg. Auch die bislang vorletzte russische Forschungsreise auf dem Treibeis musste vorzeitig abgebrochen werden. Im Jahr 1991 waren die Wissenschaftler ebenfalls zu weit in wärmere Gewässer geraten, so dass ihnen ihre Treibeis-Scholle unter den Füssen zusammenschmolz.
Stefan Voß/DPA