Tierwelt Von großen Ohren und langen Beinen

Je wärmer ein Lebensraum, desto größer sind die Gliedmaßen und Ohren seiner tierischen Bewohner. Diese Tatsache ist weithin bekannt. Wie genau das Phänomen zustande kommt wurde jetzt von Biologen erforscht: Es hat etwas mit den Knorpeln zu tun.

Tiere aus kalten Regionen haben im Allgemeinen kürzere Gliedmaßen und Schwänze sowie kleinere Ohren als nah verwandte Arten aus wärmeren Gefilden. So zum Beispiel haben Wüstenfüchse längere Beine und größere Ohren als Polarfüchse. Diesen Gegensatz hat der Zoologe Joel Allen schon vor mehr als 100 Jahren in der "Allen'schen Regel" formuliert. Nach der gängigen Theorie sind die unterschiedlich großen Körperanhänge eine evolutionäre Anpassung an die jeweilige Umgebung: In der Kälte profitieren die Tiere von einer kleineren Körperoberfläche, da sie so weniger Wärme verlieren.

Umgekehrt kommt eine große Oberfläche, etwa durch große Ohren, Tieren in warmen Gegenden zugute, weil sie damit überschüssige Körperwärme leichter abführen können. Bisher wurden diese Unterschiede vor allem auf die unterschiedliche Durchblutung und damit die Versorgung des Gewebes mit Nährstoffen und Wachstumsfaktoren zurückgeführt.

Doch laut Maria Serrat und ihren Kollegen von der Kent State University wurde diese These bisher experimentell nicht bestätigt. Sie berichten im Fachmagazin "PNAS" über ihre neue Studie, die sie an Mäusen durchgeführt haben. Dafür ließen sie die Mäuse unter verschiedenen Umgebungstemperaturen zwischen 7 und 27 Grad Celsius aufwachsen. Das überraschende Ergebnis: Wenn sie im Warmen gehalten wurden hatten selbst Mäuse aus dem gleichen Wurf nach acht Wochen messbar längere Beine und bis zu einen Zentimeter längere Schwänze. Dahinter steckte jedoch nicht die Nährstoffversorgung. Vielmehr brachte die veränderte Durchblutung Unterschiede in der Menge der Wärme, die das Gewebe erreicht, mit sich. Als die Forscher nämlich isolierte Mittelfußknochen ohne Blutversorgung bei unterschiedlichen Temperaturen im Labor wachsen ließen, fanden sie eine ähnliche Längendifferenz.

Eine genauere Analyse zeigte, dass dafür das Knorpelwachstum am Ende der Knochen verantwortlich war: Es beschleunigte sich in der Wärme. Da sich der Knorpel nach und nach in Knochen umwandelt, lässt sich auf diese Weise sowohl das schnellere Wachstum der Ohren als auch das der Gliedmaßen erklären. Die Allen'sche Regel spiegelt demnach möglicherweise gar keine genetische Anpassung wider, sondern eher eine direkte körperliche Reaktion auf die Umgebungstemperatur, folgern die Forscher. Allerdings könne nicht ausgeschlossen werden, dass es sich dabei nur um einen von vielen Faktoren handele und etwa bei den Tieren der Arktis zusätzlich genetische Veränderungen vorlägen.

DDP
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