Seit Jahren leiden die USA unter einer grassierenden Opioid-Krise. Und diese nimmt immer schrecklichere Ausmaße an. Wie die "New York Times" (NYT) berichtet, breitet sich derzeit ein besonders gefährlicher Drogenmix in den Brennpunkten großer Städte aus: Demnach mischten Dealer das Pferdeberuhigungsmittel "Xylazin" als einen billigen Heroin-Ersatz in ihre Drogen – mit fatalen Folgen für die Konsumenten.
Dealer in den USA mischen Pferdeberuhigungsmittel in Drogen – Gliedmaßen von Konsumenten verfaulen
Xylazin ist eine geruchs- und nahezu geschmacklose Substanz. Konzipiert wurde sie für das Narkotisieren und die Schmerzbehandlung von Nutztieren wie Pferde oder Rinder. Wie "Der Spiegel" berichtet, wird sie daneben auch als Brechmittel für Katzen genutzt.
Angeblich hätten Dealer schon 2005 in Puerto Rico erprobt, das billige Beruhigungsmittel als Ersatz für teureres Heroin in Drogen zu mischen. Nun sei der Mix in den USA angekommen. Unter den Straßennamen "Tranq", "Tranq-Dope" oder "Zombie-Droge" werde nun Xylazin genutzt, um das Schmerzmittel Fentanyl zu strecken, das im Mittelpunkt der Opioid-Krise in den USA steht.
Wie es zu der Opioid-Krise in den USA kam und welche Folgen sie hat, lesen Sie hier:
Wie die NYT berichtet, wird "Tranq" auch heute noch insbesondere von puerto-ricanischen Drogenkonsumenten genutzt. Beispielsweise in Kensington, einem Brennpunkt-Stadtteil von Philadelphia mit hohem Bevölkerungsanteil mit puerto-ricanischen Wurzeln, sei Xylazin in 90 Prozent der getesteten Drogenproben festgestellt worden. In New York habe der Anteil bei 25 Prozent gelegen. Die Dunkelziffer könnte deutlich höher liegen, so die NYT.
Stundenlanger Blackout, faulende Wunden, kein Gegenmittel: Warum Xylazin so gefährlich ist
Dass unterschiedliche Drogen verschnitten und als Cocktail eingenommen werden, ist kein neues Phänomen. Auch das weitverbreitete Fentanyl wird in den USA häufig mit anderen Rauschmitteln wie Crystal Meth oder Kokain gemischt. So gefährlich diese Cocktails auch sind, Xylazin wirkt auf unterschiedlichen Ebenen noch verheerender als "herkömmliche" Drogen.
Amerikas Generation der Schmerztablettensüchtigen

Das Mittel ist so stark, dass es direkt nach dem Konsum zu einem stundenlangen Blackout führt. Konsumenten können sich weder gegen Angriffe noch gegen Raubüberfälle oder Übergriffe wie Vergewaltigungen wehren. Nachdem sie aufwachen, ist der Rausch des Fentanyl, mit dem das Pferdeberuhigungsmittel häufig eingenommen wird, bereits verflogen. Abhängige verlangen praktisch direkt nachdem sie wieder aufgewacht sind, eine neue Dosis.
Xylazin verursacht nässende, faulende Wunden – im schlimmsten Fall müssen Gliedmaßen amputiert werden
Zudem ist das Mittel für den menschlichen Körper höchst toxisch. Wenn es gespritzt wird, kann es sowohl an der Einstichstelle, als auch an anderen Körperteilen, schmerzhafte Wunden verursachen, die Verätzungen ähneln. Das beschreibt "Der Spiegel". Die nässenden und juckenden Wunden können ohne Behandlung anfangen zu faulen. Im schlimmsten Fall müssen die betroffenen Gliedmaßen amputiert werden.
Die New York Times zeigt in ihrem Artikel verstörende Bilder von den Wunden von Xylazin-Konsumenten.
Zudem macht die Substanz die Behandlung von Drogen-Überdosen extrem schwierig. Xylazin zählt zu der Gruppe der Sedativa, ist also ein Beruhigungsmittel. Im Falle einer Opioid-Überdosis wird das bewährte Notfallmedikament "Naloxon" genutzt, um einen Herz- und Atemstillstand zu verhindern. Dies wirkt etwa gegen eine Fentanyl-Vergiftung zuverlässig, nicht aber gegen eine Xylazin-Sedierung.
So gefährlich das Beruhigungsmittel ist, so schwierig ist es offenbar, von ihm loszukommen. Der Entzug wird noch schlimmer als der von Opioid beschrieben. Um Entzugserscheinungen zu lindern, greifen Süchtige offenbar häufig zu anderen Betäubungsmitteln.
Anzahl der Todesfälle wegen Xylazin steigt stark an – Behörden sind alarmiert
Die Entwicklung ist besorgniserregend, das zeigt auch eine 2021 veröffentlichte Studie des Amts für öffentliche Gesundheit in Philadelphia. Demnach haben sich die Todesfälle, die auf Xylazin zurückgehen, stark erhöht. Während zwischen 2010 und 2015 "nur" zwei Prozent der Drogen-Toten in Philadelphia auf das Beruhigungsmittel zurückzuführen waren, waren es im Jahr 2019 schon 31 Prozent. Im vergangenen November gab die Food and Drug Administration ein vierseitiges Warn-Schreiben an Mediziner heraus. Ein Problem bei dem Umgang sei, dass die Droge und ihre Wirkung auf den menschlichen Körper bisher kaum erforscht sei, anders als etwa bei Opiaten.
Dass Xylazin sich weiter ausbreitet, ist kein unrealistisches Szenario. Auch in Deutschland sei die Droge bereits angekommen, sagte ein Sprecher des Bundeskriminalamtes zu "Bild". Immer wieder seien in Ballungsräumen Überdosen des Mittels zu verzeichnen. Über eine "Xylazin-Flut" wie in den USA lägen dem BKA allerdings keine Erkenntnisse vor.
Quellen:New York Times, Der Spiegel, Bild, Philadelphia Department of Public Health