Wilhelm C. Röntgen "Eine neue Art von Strahlen"

1895 entdeckte Röntgen in Würzburg die Strahlen, die zu jener Zeit Physik und Medizin revolutionierten. Aus dieser Entdeckung entwickelten sich die wichtigsten medizinischen Diagnoseverfahren.

Fast die ganze Welt kennt heute den Namen des Physikers, der 1845 in Lennep im Bergischen Land zur Welt kam: Wilhelm Conrad Röntgen. Die von ihm entdeckten Strahlen und das daraus resultierende Durchleuchten - das "Röntgen" - sind Grundlage für fast jedes medizinische Diagnoseverfahren.

Röntgen selbst nannte die Strahlen aufgrund ihrer unbekannten physikalischen Eigenschaften Zeit seines Lebens "X-Strahlen". Nach einem Aufsehen erregenden Vortrag, seinem einzigen zu dem Thema am 23. Januar 1896 in Würzburg, gab die Welt, zumindest die deutschsprachige, ihnen einen anderen Namen: Röntgen-Strahlen.

Strahlen, die Materie durchdringen

Röntgen hatte Phänomene untersucht, die entstehen, wenn elektrische Ladung durch Gase geleitet wird, die unter extrem niedrigem Druck stehen. Ähnliche Versuche führten in jener Zeit auch andere Physiker wie Heinrich Hertz und Philipp Lenard durch. Dabei wurden sehr hohe Spannungen an eine mit Edelgasen gefüllte Röhre angelegt. Zwischen den Polen entstand ein leuchtender Strahl. Dass es sich dabei um Elektronen handelte, war damals nicht bekannt. Man nannte die Strahlung "Kathoden-Strahlung".

Wörterbuch

Röntgenstrahlung ist eine elektromagnetische Strahlung mit kürzerer Wellenlänge (bzw. größerer Frequenz) als der des Lichts. Röntgenstrahlung unterscheidet sich von anderer kurzwelliger elektromagnetischer Strahlung nur durch die Art ihrer Entstehung, nicht dagegen in den physikalischen Eigenschaften. Röntgenstrahlung ist unsichtbar, erzeugt Fluoreszenz, hat starke chemische Wirkung (schwärzt Fotoplatten) und hohes Ionisationsvermögen. Sie zeigt wie das Licht Reflexion, Brechung, Beugung, Interferenz und Polarisation, hat aber im Gegensatz zu diesem ein hohes Durchdringungsvermögen für die meisten Stoffe. Quelle: Brockhaus

Am Abend des 9. November 1895 machte Röntgen bei diesen Experimenten eine denkwürdige Entdeckung: Einige Meter von der Röhre entfernt befand sich ein mit fluoreszierendem Material beschichtetes Papier. Als Röntgen die Kathodenstrahlung einschaltete, begann das Papier zu leuchten. Das Papier schimmerte auch weiter, als er die Röhre mit einer dicken schwarzen Pappe umwickelte. Offensichtlich hatte er eine neue Art der Strahlung entdeckt.

In der ihm eigenen und von der Fachwelt geschätzten gründlichen Art untersuchte und dokumentierte Röntgen die Eigenschaften der neuen Strahlen in den folgenden Wochen und Monaten. Bis zum Januar 1896 veröffentlichte er drei wissenschaftliche Forschungsberichte: "Über eine neue Art von Strahlen: Vorläufige Mitteilungen", "Eine neue Art von Strahlen" und "Weitere Beobachtungen über die Eigenschaften der X-Strahlen". Dabei war er so ausführlich, dass in den folgenden zehn Jahren keine Neuigkeiten über die Strahlen veröffentlicht wurden.

Bei seinem Vortrag im Januar 1896 demonstrierte Röntgen die Eigenschaften der neuen Strahlen. Höhepunkt war die Durchleuchtung einer Hand, die den Anwesenden die künftige Nutzung der neuen Technik eindrucksvoll vor Augen führte (siehe Bild auf Seite 2).

Vom Partyspaß zum Nobelpreis

Großzügigerweise verzichtete Röntgen auf den Patentschutz seiner Entdeckung, sodass sofort nach der Entdeckung jeder seinen eigenen Röntgenapparat bauen konnte. Das führte zu abstrusen Partyspäßen, aber auch zur seriösen medizinischen Nutzung. Die Ärzte erkannten die neuen Möglichkeiten und bezogen die neue Untersuchungsmethode in die Praxis mit ein.

Röntgen wurde mit "Fanpost" und Ehrungen überhäuft. Groß war die Begeisterung darüber, seinen eigenen Körper durchleuchtet zu sehen. Noch 1896 bat ihn der deutsche Kaiser nach Berlin, um sich von den geheimnisvollen neuen Strahlen berichten zu lassen. 1901 wurde Röntgen der erste Nobelpreis für Physik verliehen.

Auch ohne Abitur erfolgreich

Wilhelm Conrad Röntgen kam am 27. März 1845 in Lennep im Bergischen Land als Sohn des angesehenen Tuchhändlers Friedrich Conrad und dessen Cousine Charlotte zur Welt. 1848 wanderte die Familie nach Apeldoorn aus und landete 1862 in Utrecht. Dort sollte der begabte Spross sein Abitur machen. Leider blieb ihm dies verwehrt, was ihm im Verlauf seiner wissenschaftlichen Karriere noch Schwierigkeiten bereiten sollte. Vertieft in den Anblick einer Lehrer-Karikatur aus der Feder eines Mitschülers, betrat eben jener verunglimpfte Lehrer den Klassenraum. Er hielt Wilhelm für den Übeltäter und verwies ihn der Schule. Wilhelm, der seinen Mitschüler nicht verriet, versuchte es ein Jahr später erneut, landete allerdings in der Prüfung bei demselben Lehrer und erhielt kein Abschlusszeugnis.

Auch ohne Abitur durfte Röntgen von 1865 bis 1871 in Zürich Maschinenbau studieren. Mit großem Interesse hörte er aber auch Vorlesungen aus den Bereichen Kunst, Literatur und Geschichte und beschäftigte sich mit Experimentalphysik. Großen Wert legte er auf eine abwechslungsreich gestaltete Freizeit. So lernte er in seinem Stammlokal "Zum grünen Glas" seine zukünftige Frau Anna Bertha Ludwig kennen, die Tochter des Wirts. Nach glänzend bestandener Diplom-Prüfung verlobten sich die beiden.

50 glückliche Jahre mit Anna Bertha

Angeregt durch den bekannten Professor der Experimentalphysik August Kundt, begann Röntgen Physik zu studieren. 1869 promovierte er mit einer bemerkenswerte Arbeit über die Probleme der Thermodynamik. Nach der Promotion folgte Röntgen Kundt als Assistent nach Würzburg, später nach Straßburg.

1872 heiratete Röntgen seine Anna Bertha. Die beiden blieben 50 Jahre zusammen. Da die Ehe kinderlos blieb, adoptierten sie eine Tochter von Anna Berthas Bruder.

Der wissenschaftliche Nachlass landete im Feuer

Was Röntgen in Würzburg wegen des fehlenden Abiturs verwehrt blieb, wurde in Straßburg nachgeholt: Er habilitierte 1874 und wirkte als Privatdozent. 1875 wurde er an die Landwirtschaftliche Schule Hohenheim berufen, an der er Physik und Mathematik lehrte. 1876 kehrte er nach Straßburg zurück und lehrte bis 1879 Physik. Nach den folgenden neun Jahren Professur in Gießen wurde Röntgen 1888 erneut an die Universität Würzburg berufen, wo er 1894 Rektor wurde. Hier entdeckte er 1895 die Röntgen-Strahlen.

1900 nahm er eine Professur in München an und arbeitete dort bis zu seiner Emeritierung 1920. Vier Jahre nach dem Tod seiner geliebten Frau starb Wilhelm Conrad Röntgen am 10. Februar 1923 nach langem Leiden an den Folgen von Darmkrebs. Sein wissenschaftlicher Nachlass wurde auf seinen eigenen Wunsch hin verbrannt.

Alke-Marit Paulsen

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