Gebratener Ziegenkäse im Zucchini- Mantel mit Tomaten-Paprika-Gemüse. Süßes Radieschen-Carpaccio mit Bärlauch-Gnocci. Espresso-Basilikum-Törtchen mit Erdbeerpüree. Ein Edelmenü für nicht unter 60 Euro, oder? Klingt auf jeden Fall nicht nach Hauptschule. Ist es aber: Anne Schroeder, 13, Annavita Gizzi, Dilruba Gelcetin und Samanda Beganovic, alle 16 Jahre alt, gehen auf die Louise- Schroeder-Hauptschule in Berlin-Spandau und haben mit diesem Menü den Erdgaspokal gewonnen, einen sehr großen, bundesweiten Kochwettbewerb für Schulen. Und damit bewiesen, dass ambitioniertes Kochen kein Privileg besserverdienender Schichten ist.
Was es braucht, um vier Hauptschülerinnen durch Landesausscheidungen und ein Bundesfinale zu puschen? Zunächst zwei Löwinnen von Lehrerinnen: Barbara Jäck-Schmidt und Eva Linse-Keskekci. Und vier Familien, in denen Essen und Kochen wichtig sind: Alle Mädchen bekamen schon als kleine Kinder von ihren Müttern Messer in die Hand gedrückt, als Jugendliche profitieren sie jetzt davon. Und zeigen, dass Hauptschulen nicht für Verlierer sind. Sondern zum Beispiel für gute Köche.
Kolumne
"Mag ich nicht!"
Die Kinder des Sternekochs Kolja Kleeberg mögen keine Sauce zu Nudeln. Dafür lieben sie Kaviarbrot.
Meine Kinder heißen Luca und Max, die Jungen sind fünf und zwei Jahre alt. Gleich vorweg: Nein, Profikoch-Kinder essen nicht dreimal in der Woche Hummer. Dafür sagen sie gerne: "Mag ich nicht!" Vorzugsweise wenn neue Dinge auf den Tisch kommen. Luca streikte, als es Pasta mit Wurststücken gab, gewisse Pilze kommen ihm nicht in die Speiseröhre. Auch in ihren Vorlieben sind die beiden 08/15-Kinder: Nudeln? Gerne! Am liebsten pur - Saucen wollen sie oft nicht probieren. Warum nur? Nun: Kinder folgen mit ihren Vorlieben und Abneigungen evolutionär gelernten Mustern: Fremdartiges Essen könnte auch giftig sein. Auch die Vorliebe für Süßes ist ziemlich natürlich: An die im Zucker (und in der Stärke von Nudeln) enthaltenen Kohlenhydrate kommt der Körper besonders leicht heran. Sollen wir der "Natur" nun ihren Lauf lassen? Nein. Ich glaube, dass Essen gelernt werden muss. Deshalb gilt bei uns, wie bei vielen anderen Familien, die Regel: Es wird auf jeden Fall probiert. Wenn’s dann gar nicht schmeckt, okay.
In zwei Wochen kann man es mit demselben Gemüse/Fleisch/ Obst noch mal probieren, am besten anders zubereitet. So erweitert man den Geschmackshorizont des Kindes, mitunter entdeckt es sogar eine Lieblingsspeise. Es gilt: Das Angebot bestimmt die Nachfrage, man kann es erweitern oder verknappen. Warum Kindern gegen den Durst süße Limonaden geben, wenn es Wasser oder verdünnte Säfte viel besser tun? Max goutiert im Moment sein Brot am liebsten ohne Belag, eine Zeit lang ist das auch in Ordnung – aber ich muss ihm nicht auch noch Nährstoff-befreites Weißbrot geben. Bei Luca hatte der erweiterte Horizont peinliche Folgen: Der Junge liebt Fischrogen, und zwar den vom Seehasen, auch „Deutscher Kaviar“ genannt, Kostenpunkt: 1,49 Euro das 50-Gramm-Döschen. Kürzlich sollte der Junge im Kindergarten entscheiden, welchen Lieblingsgegenstand er auf die Kinderreise mitnehmen wollte, einen Kuschelhasen oder den Teddy? Luca war sich sicher: "Ich will mein Kaviarbrot!" Den Blick der Kindergärtnerin spüre ich heute noch.
Was ist euer Lieblingsgericht?
Dilruba: Kleine türkische Teigtaschen mit Hackfleischfüllung. Die werden dann gekocht und mit so einer Tomaten- Joghurt-Knoblauch-Sauce gegessen.
Samanda: Ich esse alles. Geschmolzene Schokolade mag ich am liebsten. Ich hasse Sachen aus Dosen. Essen muss frisch sein.
Annavita: Ich mag am liebsten Carpaccio, das klassische vom Rind. Und dann Nudeln. In Italien isst man halt sehr viel Nudeln, mein Vater ist Italiener, also mag ich das auch. Und ich liebe Salat.
Anne: Ich esse alles. Außer Kokosnuss.
Und Süßes?
Alle:
Gerne!
Annavita:
Aber nicht so süß wie Samanda und Dilruba ...
Dilruba:
Na ja, türkische Süßigkeiten sind halt wirklich süß.
Samanda:
... bosnische auch. Es muss im Mund wehtun - so süß muss es sein.
Anne:
Das ist fast unessbar, so süß ist das.
Annavita:
Italiener würden nie so süß essen.
Ihr seid die Köchinnen hier in der Schule. Finden eure Mitschüler das nicht eher uncool?
Anne:
Überhaupt nicht.
Annavita:
Uns hat schon mal ein Junge gefragt, ob wir nicht für ihn kochen wollen.
Und, habt ihr?
Alle:
Nee!
Dilruba:
Wir mochten den nicht.
Annavita:
Für meinen Freund koche ich aber schon. Und der mag das auch.
Samanda:
Das ist doch das Schöne dran: Wenn man für andere kocht und die dann sagen: "Hm, wie lecker!"
Kocht ihr denn auch zu Hause?
Anne:
Ich habe noch fünf Geschwister zu Hause. Ich koche öfter mit meiner älteren Schwester - mit Mama sind wir ja sieben Leute. Da kocht man besser zu zweit.
Was kocht ihr denn dann?
Anne:
Braten. Lasagne. Eine Menge auf jeden Fall. Salat mache ich immer.
Wird bei euren Freunden auch so viel gekocht?
Alle:
Nein.
Samanda:
Viele kennen Mahlzeiten gar nicht so wie wir. Bei uns zu Hause sitzen alle gleichzeitig an einem Tisch. Bei den anderen sitzt einer im Kinderzimmer. Der andere im Wohnzimmer vor dem Fernseher. Die essen halt, wann es jedem passt ...
Dilruba:
... viele können auch gar nicht mit Messer und Gabel essen. Wenn wir hier für die anderen kochen, halten viele das Messer mit der Schneide nach oben, die wissen auch nicht, wie man Fleisch mit der Gabel festhält und dann schneidet.
Annavita:
Manche sagen "Kohlrabi" und meinen Blumenkohl. Ich kenne einen, der zieht sogar das Salatblatt aus dem Hamburger. Weil er kein Gemüse isst.
Anne:
Ein paar trinken die Suppe aus den Tellern.
Findet ihr das blöd?
Annavita:
Es ist einfach peinlich.
Ist das bei euch zu Hause anders?
Annavita: Also bei mir muss man alles mit Messer und Gabel essen. "Das Besteck geht zum Mund und nicht der Mund zum Besteck", sagt meine Mama. Das nervt zwar manchmal, aber es bringt was für später ...
Dilruba: Es gibt Firmen, die laden Bewerber zum Essen ein. Da sollte man das doch können. Ist auch so schon schwer genug mit den Lehrstellen.
Ladet ihr eure Freunde auch zum Essen ein?
Samanda:
Klar.
Dilruba:
Gar nicht so selten.
Und die essen dann drei Tage nichts, weil es bei euch so lecker ist?
Samanda:
Die essen dann fünf Tage nichts. Weil es bei uns so lecker ist.
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Wie oft kocht ihr denn in der Schule?
Samanda: Einmal in der Woche, meistens drei Stunden.
Dilruba: Wir nehmen uns immer ein Gericht vor, und das machen wir dann.
Anne: Ich mache bei unserer Schulfirma mit. Da machen wir Büfetts und so. Siemens - die beliefern wir oft.
Was ist eigentlich schön am Kochen?
Annavita:
Alles.
Das Schnibbeln auch?
Samanda:
Das Schneiden ist schön. Die Sachen riechen gut, man kann probieren - ich mag das Schneiden fast am liebsten. Anne: Ich mag Verzieren gerne.
Dilruba:
Beim Kochwettbewerb haben unsere Lehrerinnen die Grundrezepte rausgesucht. Aber wie es dann aussah auf dem Teller, das haben eigentlich wir gemacht.
Samanda:
Beim Kochen nervt eigentlich nur das Warten, dass etwas gar wird.
Anne:
Und die Hitze. Wir haben hier Gasherde, wenn man die ganze Zeit davorsteht, läuft echt der Schweiß.
Samanda:
Ätzend, wenn man geschminkt ist.
Dilruba:
Muss man ja nicht sein. Doch nicht in der Küche.
Dilruba und Samanda, ihr seid Muslima. Fragt ihr hier jedes Mal, ob Schweinefleisch drin ist?
Samanda: Hier wird nie mit Schweinefleisch gekocht. Hier sind zu viele Muslime, die dann nichts essen dürften.
Wie ist das, wenn ihr bei Freunden esst - müsst ihr dann nachfragen?
Dilruba:
Meine Freunde sind fast alle Muslime - da gibt's keine Probleme.
Geht ihr eigentlich noch zu McDonald’s?
Alle:
Ja, klar.
Warum?
Samanda:
Wenn man beim Ausgehen Hunger bekommt, geht man da hin.
Und die Burger sind ja auch aus Rindfleisch ...
Dilruba:
Vorsicht: Der McRib ist aus Schweinefleisch. Das wissen alle Muslime.
Samanda:
Weiß ich schon, seit ich zehn bin. Da habe ich zum ersten Mal bei denen an der Kasse gefragt.
Man muss da ja auch nicht abwaschen. Das ist doch ein Vorteil, oder?
Anne:
Ich finde Abwaschen nicht schlimm. Hab ich nichts gegen.
Samanda:
Ich schon. Ich lasse immer meine Freunde abwaschen.
Dilruba:
Aber du willst doch Köchin werden. Da muss man im ersten Jahr nur abwaschen, hab ich gehört.
Samanda:
Hat ja niemand behauptet, dass das kein harter Job ist. Ich würde es aber trotzdem gerne werden.
Du auch, Dilruba?
Dilruba:
Ich habe immer geschwankt zwischen Hebamme und Köchin. Aber für Hebamme braucht man einen Realschulabschluss, den schaffe ich nicht. Insofern wäre Koch schon ein sehr cooler Job.