Hamburg - Bundesaußenminister Joschka Fischer hat eine Neudefinition des Verhältnisses zu den USA und eine andere Strategie im Irak gefordert. In einem Interview des stern sagte Fischer, die Macht der USA sei global und regional für Frieden und Stabilität unverzichtbar. "Das Schlimmste, was uns passieren könnte, wäre ein Rückzug der USA in ihre eigene Hemisphäre." Er fügte hinzu: "Aber das transatlantische Verhältnis muss neu definiert werden. Wir müssen aufeinander zugehen, von beiden Seiten." Europäer und Amerikaner müssten "wieder zusammenfinden" in der strategischen Analyse der Bedrohung. Sie müsse "auf den Realitäten gründen und von allen geteilt werden." Die amerikanische "Dominotheorie", wonach ein befreiter Irak den Nahen Osten stabilisieren und ein Land nach dem anderen demokratisieren werde, gehe nicht auf. Auf europäischer Seite werde man innerhalb von zwei Monaten eine gemeinsame Sicherheitsstrategie formulieren. Er habe den Eindruck, dass die jüngsten Erfahrungen die Diskussion auch auf amerikanischer Seite erleichtern werde.
Die bisherige Politik der USA im Irak ist nach Fischers Ansicht erfolglos. "Die entscheidende Frage ist, ob eine Strategie, die nicht funktioniert, abgelöst wird durch eine andere, die funktionieren kann." Dies bedeute "eine schnelle Irakisierung, einen raschen Wiederaufbau der irakischen Souveränität". Die von den USA geführte Militärkoalition könne nicht sofort abziehen, weil das ein gefährliches Vakuum schaffen würde. "Also wird es eine Übergangsphase geben, die von den Vereinten Nationen verantwortet werden muss", sagte Fischer. "Die UN müssen die zentrale Rolle spielen. Es sollten zudem moderate arabische und islamische Staaten an der Stabilisierung des Irak beteiligt werden."
Der Außenminister bekräftige in dem stern-Interview zugleich die Absage der Bundesregierung an die Entsendung deutscher Soldaten in den Irak. "Wir haben keinerlei Pläne, Soldaten in den Irak zu schicken", sagte er. Auch wenn die Amerikaner zu Zugeständnissen bei einer neuen UN-Resolution bereit seien, "ändert das nichts an unserer Grundposition".