Raketenexperte Markus Schiller "Nordkoreas Atomprogramm ist völlig zusammengewürfelt"

Von Janis Vougioukas
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Sehen Sie im Video zehn kuriose Fakten über Nordkorea.


Unter Kim Il Sung gründete sich am 9. September 1948 die Demokratische Volksrepublik Nordkorea. Aktuelles Staatsoberhaupt ist Kim Jong Un, der Enkel des Gründers.
Fakt 1: Nordkorea hat eine eigene Zeitzone, die Pjöngjang-Zeit. Diese wurde am 15. August 2015 eingeführt. Die Uhren wurden eine halbe Stunde zurückgestellt. Auch einen eigenen Kalender gibt es, den sogenannten "Juche-Kalender". Dieser beginnt 1912, dem Geburtsjahr des „ewigen Präsidenten“ Kim Il Sung.
Fakt 2: Mit 1,2 Millionen Soldaten hat Nordkorea nach Russland, China und den USA hat die viertgrößte Armee der Welt.  Die Grenze zu Südkorea gilt als die am stärksten militarisierte Grenze weltweit.
Fakt 3: Nordkorea gilt als das am stärksten abgeschottete Land weltweit und ist für Touristen schwer zugänglich. Urlauber müssen ständig durch eine Kontrollperson begleitet werden. Wollen Touristen Regionen außerhalb der Hauptstadt besuchen, brauchen sie eine  Genehmigung.
Fakt 4: Nordkorea wird wegen Verletzung der Menschenrechte stark kritisiert. Die Grundrechte der Bürger werden missachtet und Menschen werden systematisch unterdrückt. Es dürfen nur lokale Medien genutzt werden, die oft von Propaganda durchdrungen sind. Außerdem gibt es noch immer die Todesstrafe. Die Exekutionen werden meist öffentlich abgehalten.
Fakt 5: Die etwa drei Millionen Bewohner der Hauptstadt Pjöngjang gelten als Elite des Landes. Menschen mit Behinderungen ist es verboten, in der Hauptstadt zu leben. Zudem bestimmen die Behörden über den Wohnort der Bürger. Diesen dürfen sie ohne staatliche Erlaubnis nicht verlassen. Die Landbevölkerung ist im Gegensatz zu den Haupstädtern bitterarm.
Fakt 6: Es gibt 28 Frisuren, die von Staatschef Kim Jong Un "genehmigt" wurden. Alle anderen werden nur ungern gesehen. Für Frauen gibt es 18 Varianten. Männer dürfen zwischen zehn Frisuren wählen. Männliche Studenten müssen die Frisur von Kim Jong Un tragen. 
Fakt 7: Alle Nordkoreaner sind "offiziell" Atheisten. Es ist streng verboten religiöse Schriften, wie die Bibel einzuführen. Hingegen gilt Marihuana weder als Droge noch ist es illegal.
Fakt 8: Es ist Pflicht, eine Anstecknadel mit den Köpfen des Gründers Kim Il Sung und Kim Jong Il zu tragen. Das kontrolliert sogar die Polizei.
Fakt 9: Die USA gilt in Nordkoreas als Feind. So ist es amerikanischen Bürgern verboten über den Landweg, also z.B. mit dem Zug, einzureisen. Außerdem dürfen Einheimische keine Jeans tragen. Diese gelten als Erfindung des Feindes.
Fakt 10: Touristen dürfen nicht in der einheimischen Währung Won zahlen. Ihnen sind nur Barzahlungen in Euro, US-Dollar oder Yuan gestattet. Es gibt keine Geldautomaten und Kreditkarten werden nicht akzeptiert.
Nicht die Atombomben Nordkoreas sind so gefährlich, sondern die konventionellen Waffen, sagt der Raketenexperte Markus Schiller.

Vor Kurzem hat Nordkorea seine sechste Atombombe getestet, es war die bislang mit Abstand stärkste. Halten Sie es für möglich, dass das Land solche Waffen tatsächlich einsetzt?

Ehrlich gesagt: Ich halte die Situation für nicht sehr beängstigend. Gefährlich könnte es nur werden, wenn Donald Trump oder Kim Jong-un die Nerven verlieren. Aber Nordkorea selbst hat kein Interesse an einem bewaffneten Konflikt.

© Foto: privat

Raketenexperte Markus Schiller

Markus Schiller ist Geschäftsführer von ST Analytics in München und berät zivile und militärische Kunden

Wie kommen Sie an Ihre Informationen über die Rüstung der Nordkoreaner?

Seit ein paar Jahren ist das Land da erstaunlich offen, etwa was Bilder angeht. Und durch die regelmäßigen Tests sind die Sprengköpfe heute nicht viel geheimer für uns, als es die der Inder oder Pakistanis sind. Aus den einzelnen Puzzlestücken muss man sich dann ein Bild zusammensetzen. Im Prinzip ist das ganze Programm darauf ausgerichtet, der Welt zu sagen: Nehmt uns ernst! Darum geht es. Und nicht darum, wirklich Krieg gegen eine Großmacht zu führen.

Dass Nordkoreas Atombomben gefährlich sind, ist doch unumstritten ...

Ja, aber das Programm ist völlig zusammengewürfelt. Die Raketen bestehen zum Teil aus alten russischen Bauteilen. Das Bruttoinlandsprodukt von ganz Nordkorea ist etwa halb so groß wie das der Stadt Wien. Und davon will Kim offenbar 14 verschiedene Raketentypen, ein Uran- und ein Plutonium-Programm finanzieren? Da muss man sich fragen, ob das wirklich alles stimmt. Für Südkorea ist der Norden sicherlich eine Bedrohung. Aber es wäre absurd zu glauben, dass in den nächsten Wochen ein Atomschlag auf Washington drohen könnte.

Atombomben gibt es seit über 70 Jahren. Ist die Technik tatsächlich so kompliziert?

Eine Atombombe zu bauen ist schwierig genug. Doch viel komplizierter ist es, eine Langstreckenrakete zu entwickeln, die den Sprengkopf auch tragen kann. Das dauert mindestens zehn Jahre. Eine Rakete muss mehrere Minuten lang unter extremsten Bedingungen funktionieren.

Inzwischen allerdings zweifelt kaum jemand daran, dass die Nordkoreaner die Technik bald meistern werden.

Ja, Kim Jong-un scheint das Atomprogramm wesentlich ernster zu verfolgen als sein Vater. Und Nordkorea muss Hilfe aus dem Ausland erhalten haben. Wir wissen, dass es in den 80er und 90er Jahren massive Unterstützung aus Russland gab. Möglich ist auch, dass der Antrieb aus der Ukraine kommt.

Haben die Sanktionen denn nichts gebracht?

Man kann auf Google Earth Satellitenbilder der Grenze zwischen Russland und Nordkorea sehen. Da steht auf beiden Seiten ein großer Bahnhof, und es sieht nicht so aus, als sei die Grenze in den letzten zehn Jahren geschlossen gewesen. Auch zwischen China und Nordkorea herrscht ein reger Warenaustausch. Wenn etwas verboten ist, wird das für viele Leute nur noch interessanter, weil man damit sehr viel Geld verdienen kann.

Wenn der Einsatz der Nuklearwaffen selbst kaum realistisch erscheint – könnte das Rüsten in einen konventionellen Krieg münden?

Das ist sehr viel wahrscheinlicher. Die Gefahr durch Nordkoreas Kurz- und Mittelstreckenraketen ist ja real. Schon jetzt könnte das Land damit Nutzlasten – also Bomben – von einer Tonne Gewicht bis nach Japan transportieren. Und Südkoreas Hauptstadt Seoul liegt ohnehin in Reichweite der nordkoreanischen Artillerie. Wenn ein Vergeltungsschlag auf den anderen folgt, dann hat man schnell einen ausgewachsenen Krieg auf der koreanischen Halbinsel, wenn auch mit konventionellen Mitteln.

Welche Optionen hat US-Präsident Trump, um Nordkoreas Atomprogramm zu stoppen?

Das ist schwierig. Wie groß auch immer das Programm ist: Mit Sicherheit sind die Anlagen gut verbunkert, vielleicht sogar in Berge hineingebaut. Man könnte natürlich das Testgelände mit Marschflugkörpern beschießen, aber das ist nicht sehr nachhaltig. Ich sehe keine Möglichkeit, das Atomprogramm wirklich militärisch zu beenden.

Wie sollte der Westen denn mit Nordkorea umgehen?

Auch wenn es zunächst seltsam klingt: Am schlimmsten wäre für Kim Jong-un sicher, seine Drohungen nicht zu ernst zu nehmen. Je mehr er sein Land gegen den gemeinsamen Feind im Ausland vereint, desto fester sitzt er im Sattel.

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