Zwei Sätze. Zwei Sätze brauchte ein Konservativer lange Zeit nur, um seine wirtschaftspolitischen Ideen zu formulieren: Der Staat soll sich aus den Firmen heraushalten. Und: Er soll die Steuern senken. Insbesondere niedrige Steuern galten als Allheilmittel. Eigentlich gab es keinen Zeitpunkt, an dem sie nicht Wunder bewirken könnten. In der Krise sollten sie helfen, weil dann Unternehmen und Bürger mehr Geld in der Tasche haben und die Konjunktur ankurbeln können. Im Boom sollten sie nützen, weil der Staat den Menschen das zurückgibt, was ihnen gehört. "Steuern runter" wurde zum Nummer-Eins-Hit der Unionspolitiker.
Am lautesten sang das Lied regelmäßig der CDU-Wirtschaftsrat. Diesem Berufsverband von Firmenchefs und Manager konnte es lange nicht schnell genug gehen, die Steuersätze auf Talfahrt zu schicken. Doch inzwischen stimmen die früheren Reform-Hardliner ungewohnte Töne an. Sie lehnen rasche Steuersenkungen ab und wollen zunächst den Haushalt sanieren. Erst danach könne der Staat die Bürger entlasten und zwar weniger bei den Steuern sondern mehr bei den Abgaben für Krankenkasse oder Rentenversicherung.
Wirtschaftsrat sieht die Realität
Oh Schreck. Was ist nur mit den Konservativen los, wenn selbst ihre Reform-Eiferer nicht mehr die Steuern senken wollen? Die Antwort ist einfach. Der Wirtschaftsrat sieht die Realität und lebt nicht mehr in einer Traumwelt. Steuersenkungen lassen sich derzeit kaum finanzieren. Trotz Mehreinnahmen gibt der Bund immer noch zu viel aus, zahlt zuviel Zinsen, um Kredite zu bedienen. Das engt den Spielraum ein.
Der Bund kann weniger in die Zukunft investieren und schlechter vorbeugen, wenn die Konjunktur - was bald der Fall sein könnte - mal nicht mehr Milliarden in die Staatskasse spült. Viele Bürger drückt die Steuerlast auch gar nicht, weil es Freibeträge gibt. Wer etwa 37 000 Euro verdient, verheiratet ist und zwei Kinder groß zieht, zahlt überhaupt keine Lohn- und Einkommensteuer. Aber er zahlt Abgaben - an Krankenkassen, Rentenversicherung, und, und, und... Diese Last muss sinken, besonders für Arme.
Dass der Wirtschaftsrat diese Zusammenhänge erkannt hat, ist erfreulich. Jetzt muss eine weitere konservative Bastion folgen - die CSU. Noch kämpft sie dafür, die Steuern zu senken, doch bald wird sie ihre Ideen in den Papierkorb werfen. Das Datum steht fest: 28. September 2008 - der Tag der bayrischen Landtagswahl. Danach werden die CSU-Politiker ernüchtert feststellen: Wir würden ja gern Steuern senken - aber es fehlt das Geld in den Kassen. Bis dahin müssen die Bürger tapfer sein und Träume der CSU ertragen. Das Erwachen naht.