Die Mehrheitsbildung in der Bundesversammlung, die den Präsidenten wählt, legt Schlüsse nah, wer mit wem gemeinsam in die nächste Regierungsphase starten will. Dabei nimmt die FDP, wie bereits 1969, eine zentrale Rolle ein.
Mit Hilfe der Freidemokraten wurde bei der Wahl vor 35 Jahren der Sozialdemokrat Gustav Heinemann Bundespräsident. Auf dem Messegelände am Berliner Funkturm kam am 5. März 1969 die fünfte Bundesversammlung zusammen. Von den insgesamt 1035 Wahlfrauen und -männern gehörten 482 der CDU/CSU, 449 der SPD, 83 der FDP und 22 der rechtsextremen NPD an.
"Ein Stück Machtwechsel"
Die Unionsparteien hatten den konservativen Verteidigungsminister Gerhard Schröder aufgestellt und damit die Chancen vermindert, dass er mit Hilfe der FDP gewählt wird. Heinemanns Ansichten waren den meisten Freidemokraten sympathischer. Die Entscheidung fiel erst im dritten Wahlgang, bei dem nur eine relative Mehrheit erforderlich war. Dabei vereinigten die Liberalen ihre Stimmen auf Heinemann und machten ihn damit von 1969 bis 1974 zum Bundespräsidenten. Heinemann selbst bezeichnete wenige Tage später seine Wahl auch durch die FDP als "ein Stück Machtwechsel".
Die anstehende Wahl des Bundespräsidenten könnte so eine Umbildung der Regierungsparteien und der Opposition ankündigen. Derzeit haben in der Bundesversammlung weder Union noch Rot-Grün eine eigene Mehrheit. Damit hängt im Mai 2004 auch von den FDP-Stimmen ab, ob ein von den Sozialdemokraten oder der Union aufgestellter Kandidat zum Bundespräsidenten gewählt wird.
604 Stimmen für eine absolute Mehrheit nötig
Bei der Wahl des Nachfolgers von Johannes Rau sind für eine absolute Mehrheit mindestens 604 der 1206 Delegiertenstimmen nötig. CDU und CSU kommen als stärkste Fraktion jedoch nach Berechnungen der Bundestagsverwaltung nur auf voraussichtlich 542 Stimmen. Für eine absolute Mehrheit sind sie deshalb auf die 82 Stimmen der FDP angewiesen. SPD (460) und Grüne (89) bringen keine absolute Mehrheit zusammen. Die verbleibenden Stimmen verteilen sich auf PDS (31), DVU (1) und den aus der Unionsfraktion ausgeschlossenen Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann.