Philipp Mißfelder "Gesundheitsreform ist unzumutbar"

Angela Merkel hält die Gesundheitsreform für eine reformerische Glanztat. Aber in der eigenen Partei gibt es Widerspruch. Im stern.de-Interview erklärt der CDU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, warum er bei der Abstimmung "Nein" sagen wird.

Herr Mißfelder, Sie waren diese Woche auf der Bundesdelegiertenversammlung der Senioren-Union der CDU. Haben Sie geklatscht, als die Kanzlerin dort über die Gesundheitsreform und den neuen Krankenkassenbeitrag für alle in Höhe von 15,5 Prozent sprach?

Als die Kanzlerin darüber gesprochen hat, war ich nicht da. Aber ich hätte auch nicht geklatscht, wenn ich da gewesen wäre. Mit der Gesundheitsreform, wie sie geplant ist, bin ich nicht einverstanden. Deshalb habe ich im Bundestag bisher mit Nein gestimmt und werde bei meinem Nein bleiben. Die Reform ist weder generationengerecht noch für die ältere Generation zumutbar.

Sie werden also bei der Schlussabstimmung im Bundestag der Gesundheitsreform nicht zustimmen?

Ich habe diese Gesundheitsreform von Anfang an kritisiert, schon im Sommer 2006 als über ihre Eckpunkte diskutiert worden ist. Und als einziges Mitglied des CDU-Bundesvorstands dagegen gestimmt. Ich halte weiterhin den Gesundheitsfonds nicht für richtig.

Philipp Mißfelder...

...ist seit 2002 Bundesvorsitzender der Jungen Union. Der 30jährige Konservative provozierte 2003 massive Kritik, als er erklärte: "Ich halte nichts davon, wenn 85-Jährige noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen." Mißfelder musste sich mehrfach erklären, mittlerweile hat er die Unterstützung der Senioren-Union für einen Platz im CDU-Präsidium. Jüngst spekulierte Mißfelder über die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre.

Wie ist denn die Stimmung der CDU-Senioren heute?

Sehr durchwachsen. Sie haben in den vergangenen Jahren schon erhebliche Beiträge zur Konsolidierung der sozialen Sicherungssysteme leisten müssen. Aber die CDU hat auch versäumt in den vergangenen Monaten unsere Stammwähler gezielt emotional anzusprechen. Jetzt muss überlegt werden, was wir mehr tun können für die Menschen, die wie die Senioren zur Kernklientel der CDU gehören. Wir müssen wieder mehr wirtschaftspolitisches Profil zeigen, die Flügel ansprechen, sowohl den konservativen wie den liberalen. Und wir müssen auf die Generationen zu-gehen. Das heißt mehr für die Jugend tun und auch wieder für die Senioren.

Die CDU ist auf 33 Prozent abgestürzt in den jüngsten Umfragen.

Diesen Zahlen traue ich nicht eine Sekunde. Mir reicht es immer noch, dass wir bei der vergangenen Bundestagswahl nahe bei 50 Prozent geortet wurden und dann bei 35,2 Prozent gelandet sind.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Die Bundesregierung rechnet vor, die Anhebung der Krankenversicherung werde ausgeglichen durch die Senkung des Beitrags für die Arbeitslosenversicherung. Wie erklären Sie den 20 Millionen Rentnern, die keine Arbeitslosenversicherung mehr bezahlen diese angeblich Null-zu-Null-Rechnung? Sie werden nirgendwo entlastet.

So ist es. Ich kann an die ältere Generation nur appellieren, weiterhin einen Beitrag zur Konsolidierung unserer sozialen Sicherungssysteme zu leisten. Die arbeitende Generation wird schon genug belastet durch hohe Abgaben. Alle Generationen müssen da ihren Beitrag leisten.

Die Rentner haben schon von den vorangegangenen Senkungen des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung nicht profitiert.

Ich bin nicht zur Senioren Union gefahren, um dort zu erzählen, alles wird gut und weiße Salbe zu verteilen. Ich war dort, um zu betonen, dass die Herausforderungen des demografischen Wandels bei weitem noch nicht bewältigt sind. Es wird für alle noch schwieriger werden und es gibt auch kaum Entlastungsmöglichkeiten.

Aber ältere Menschen werden doch ganz besonders belastet. Sie müssen häufiger zum Arzt. Also sind sie auch stärker betroffen von den Zusatzkosten, die seit längerem bei Arztbesuchen bezahlt werden müssen. Jetzt müssen die meisten wesentlich höhere Beiträge in die Krankenversicherung bezahlen. Immer weiter so?

Nein, ein immer weiter so kann es nicht geben. Die Älteren können sich nicht mehr auf immer höhere Belastungen vorbereiten. Meiner Generation allerdings muss klar sein, dass sie mehr Eigenverantwortung zu übernehmen hat in finanzieller und persönlicher Hinsicht. Dann kann jeder mit einem gesünderen Lebensstil viele Risiken und damit Kosten vermeiden.

Die Rentner können aber sehr wohl den Eindruck haben, dass ihnen einseitig Lasten aufgebürdet werden. Es gab schon drei Nullrunden für die Rentner und der jüngste sehr bescheidene Rentenzuwachs wird glatt aufgefressen durch die höheren Krankenkassenbeiträge.

Ich sehe das Problem. Aber die Lasten des demografischen Wandels liegen vor allem bei der jungen Generation. Weil die Politik in der Vergangenheit viele nicht gedeckte Schecks ausgestellt und grundlegende Reformen vermieden hat. In der gesetzlichen Pflegeversicherung, natürlich auch in der Rente. Die Politik hat vor allem Probleme vertagt, anstatt nachhaltige Problemlösungen anzubieten. Weil fast jeder immer vor Wahlen davor zurückscheut, wirklich unpopuläre Dinge durchzusetzen. Das ist auch bei der jetzigen Gesundheitsreform der Fall.

Inwieweit wird die junge Generation besonders belastet?

Sie wird einen nicht mehr sinkenden, sondern ansteigenden Rentenversicherungsbeitrag zahlen müssen. Die nach 1965 geborenen Menschen werden mehr in die Rentenversicherung einzahlen müssen als sie jemals herausbekommen. Das ist in der Tat nicht generationengerecht.

Glauben Sie, dass Sie von der Senioren Union unterstützt werden, wenn sie sich auf dem CDU-Parteitag im Dezember um einen Platz im CDU-Präsidium bewerben?

Das Verhältnis zwischen Senioren Union und Junger Union ist deshalb so gut, weil wir in aller Offenheit die Probleme auch ansprechen. Die Senioren Union hat mich nach dem jüngsten Treffen erneut fürs Präsidium vorgeschlagen. Sie hat sich offensichtlich daran gewöhnt, dass ich in meinen Reden auch unpopuläre Dinge ausspreche.

Sehen Sie irgendeine Chance für die Verbesserung der Situation der Senioren?

Ich verspreche niemand eine Verbesserung der Situation. Das wäre falsch. Aber wir müssen darüber reden, wie wir die Lasten in Zukunft gerechter verteilen. Wir dürfen auch nicht so tun, als sei Spitzenmedizin in Zukunft für alle zum Nulltarif zu bekommen. Das wissen die Menschen längst, dass unser Gesundheitssystem nicht mehr so leistungsfähig ist wie früher. Es handelt verantwortungslos, wer so tut, als sei alles in Ordnung.

Interview: Hans Peter Schütz