PRO
Wichtig: 90 bis 95 Prozent der Jugendlichen werden nicht straffällig. Aber bestimmte Jugendliche, bei denen sich erkennbar eine kriminelle Karriere abzeichnet, brauchen einen Schuss vor den Bug. Offensichtlich lassen sich manche jugendliche Intensivtäter durch Strafen, die zur Bewährung ausgesetzt werden, nicht beeindrucken. Dann muss es ein anderes Mittel geben, um sie zu ihrem eigenen Vorteil und zum Schutz der Allgemeinheit von ihrem Weg abzubringen: einen bis zu vierwöchigen Arrest, der neben einer Bewährungsstrafe verhängt wird.
Dieser soll nur ein letztes Mittel sein, um in Ausnahmefällen eine Verhaltensänderung herbeizuführen. Aber klare Grenzen müssen rechtzeitig gesetzt werden. In Fällen, in denen die Sorgeberechtigten dazu nicht in der Lage sind, muss der Staat diese Aufgabe übernehmen. Zu Recht erwartet die Gesellschaft, dass er dann die erzieherischen Mittel einsetzt, die eigentlich die Eltern hätten anwenden müssen. Ich kann ja als Familienvater meinen Kindern auch nicht immer wieder Konsequenzen für ihr Handeln androhen, ohne diese Konsequenzen irgendwann zu vollziehen.
Jugendgewalt ist nicht allein ein Thema Jugendlicher mit sogenanntem Migrationshintergrund, auch deutsche jugendliche Täter wenden rücksichtslos Gewalt an. Es darf nicht Normalität werden, dass Jugendliche andere Menschen zusammenschlagen und darauf so gut wie keine Konsequenzen folgen. Wir in Hamburg haben unter Federführung meiner Behörde mit den Ämtern für Bildung und Sport, für Jugend und Soziales und der Justizbehörde ein Konzept gegen Jugendgewalt beschlossen, das bereits im Vorschulalter ansetzt. Es geht weiter über polizeilichen Präventionsunterricht in Schulen, verstärkte Durchsetzung der Schulpflicht bis hin zu einer Intensivtäter-Bearbeitung bei der Justizbehörde. Aber es wäre unseriös zu behaupten, dass dieser Katalog schon morgen Früchte tragen wird. Deshalb müssen wir über eine Verschärfung des Jugendstrafrechts diskutieren.
KONTRA
Ziel des Jugendstrafrechts ist es, erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenzuwirken und Rückfallkriminalität im Interesse weiterer Opfer zu vermeiden. Dabei muss der Erziehungsgedanke im Vordergrund stehen. Der Aspekt der Abschreckung ist und bleibt unzulässig. Reaktionsformen, die wie der Warnschuss auf Abschreckung und zunehmende Härte setzen, gehören nicht in ein modernes Jugendstrafrecht. Es geht auch gar nicht um Milde oder Härte, sondern um Wirksamkeit. Dabei sind Hintergründe und Entstehung von Jugendkriminalität ebenso zu berücksichtigen wie die Wirkungszusammenhänge jugendstrafrechtlicher Reaktionen.
So plausibel die Gleichung "mehr Härte = größere Abschreckung = weniger Rückfallkriminalität = besserer Opferschutz" erscheinen mag, sie beruht auf dem Glauben an Härte und widerspricht empirisch gesicherten Erkenntnissen. Nach einer aktuellen Statistik beträgt die Rückfallquote bei Jugendstrafe ohne Bewährung 77,8, bei Jugendarrest 70 und bei Jugendstrafe mit Bewährung 59,6 Prozent. Wie aus der Kombination der Strafaussetzung zur Bewährung mit dem Jugendarrest (in Form des Warnschussarrestes) etwas Positives entstehen soll, bleibt das Geheimnis der Befürworter. Auch als schnelle Krisenintervention ist der Warnschussarrest kaum geeignet, da seit der Tat schon viel Zeit vergangen ist, die Rechtskraft abzuwarten bleibt und die Ladung zum Arrestantritt oft erst viele Wochen später erfolgen könnte.
Wenn ein Bewährungsverfahren als Folgenlosigkeit verstanden und deswegen der Warnschussarrest gefordert wird, ist die inhaltliche Vermittlung (Bewährungshilfe als Teil strafrechtlicher Sozialkontrolle) misslungen. Das ist ein Indiz für die Notwendigkeit qualifizierter Weiterbildung aller in der Kriminalrechtspflege Tätigen und nicht Anlass für eine neue freiheitsentziehende Sanktion.