Hans-Martin Tillack „Keinerlei Richtlinien“

Kurt Beck hat einen neuen Nebenjob als Pharmaberater – diese Nachricht ging Ende vergangener Woche fast unter. Unverdienterweise.

Dass der Sozialdemokrat nur sechs Monate nach seinem Abtritt als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz in ein Beratergremium des Unternehmens Boehringer Ingelheim eintrat, schlug nur wenig Wellen. In Becks Bundesland hielt ihm immerhin die örtliche FDP eine gewisse Inkongruenz mit der Beschlusslage der SPD vor. Die verlangt nämlich, dass Minister auf Bundesebene während einer Karenzzeit von 18 Monate Lobbyjobs nur annehmen sollten, wenn das eine Ethikkommission genehmigt hat. Und einige Kritiker erinnerten daran, dass gerade Boehringer Ingelheim jüngst wegen dubioser Praktiken in die Kritik geraten war.

Alles offenbar kein Problem für Kurt Beck. Dabei ist er nicht nur ehemaliger Bundesvorsitzender der SPD. Bis heute amtiert er auch als Vorsitzender der parteinahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Aber auch die sah kein Problem darin, dass ihr Chef sich mit der Pharmabranche gemein macht.

Für den 14. November lädt die Stiftung übrigens zu einer Tagung, die die Frage stellt, ob Politiker „moralische Vorbilder“ sein sollten. Beck und die Stiftung selbst haben in dieser Frage offenbar eine entspannte Haltung.

Aber tun sie sich damit einen Gefallen? Oder provozieren sie nur neue Fragen über die Regeln, auf denen die Arbeit der Stiftungen basiert? Es gibt nämlich erstaunlich wenige. Außer zwei: Der Steuerzahler zahlt. Und die Parteien sind dankbar.

Ja, es mag durchaus sein, dass Kurt Beck der Arbeit der Ebert-Stiftung wichtige intellektuelle Impulse gibt. Aber man tritt wohl keinem zu nahe, wenn man vermutet, dass das Amt des Stiftungsbosses eher ein Versorgungsjob ist – im Interesse der Partei. Das Entscheidende muss dabei gar nicht die etwaige Aufwandsentschädigung sein, die in Becks Fall laut Ebert-Stiftung gemäßigte 1000 Euro im Monat beträgt*. Ein ehemaliger Ministerpräsident erhält ja bereits eine ordentliche Pension. Nein, ein Posten als Stiftungsvorstand verschafft in erster Linie - gefühlte - Bedeutung.

423 Millionen Euro erhielten die Stiftungen der damals im Bundestag vertretenen Parteien, einschliesslich der FDP, im Jahr 2011 laut Bundesrechnungshof aus Bundesmitteln. So hat es der Bundesrechnungshof recherchiert – für den Normalbürger sind die Zahlen nicht so leicht zu ermitteln. Denn so sehr die Stiftungen auch viel Sinnvolles leisten mögen - sehr transparent sind diese immensen Finanzströme nicht. Es gibt nicht einmal ein eigenes Gesetz, das die Subsidien regelt. Sie kommen aus Töpfen verschiedener Bundesministerien, darunter knapp 100 Millionen Globalzuschüsse des Innenministeriums für die politische Arbeit im Inland. Dazu gehören auch über 200 Millionen für Projekte im Ausland sowie Mittel des Bildungsministeriums, mit denen die Stiftungen ihre Stipendienprogramme finanzieren. Überdies schießen die Länder einiges zu.

Bereits vor gut zwei Wochen thematisierten wir auf stern.de, dass es nur informelle Regeln sind, nach denen der Bundestag jedes Jahr Zahlungen aus diesen verschiedenen Haushaltstiteln an die Stiftungen genehmigt. Auf Basis dieser ungeschriebenen Regeln steht aber eins fest: Nur etablierte Parteien haben eine Chance auf Staatsknete. Und fliegt selbst eine etablierte Partei wie die FDP aus dem Bundestag, nehmen die Zuwendungen noch lange kein Ende.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Beim Bundestag brauchte man dabei mehr als zwei Wochen, bis man mir Ende vergangener Woche Fragen über die Grundsätze beantwortet hatte, denen das Parlament bei der Stiftungsfinanzierung folgt. O-Ton: „Leider sind im Sekretariat des Haushaltsausschusses des Bundestages keinerlei Richtlinien, Bewirtschaftungsgrundsätze des BMI (Bundesinnenministeriums, hmt) oder andere Regelungen vorhanden bzw. bekannt“, räumte ein Parlamentssprecher ein. In der „parlamentarischen Praxis“ finde im Vorfeld der Haushaltsberatungen eine eingehende "Vorerörterung" der zuständigen Abgeordneten „mit den Vertretern der politischen Stiftungen statt“.

In der Tat entscheidet der Haushaltsausschuss des Bundestages zu Beginn jeder Wahlperiode nur informell über den Verteilungsschlüssel. Und jedes Jahr, so erzählte es uns bereits der Linken-Abgeordnete Steffen Bockhahn, machen die Geschäftsführer der Stiftungen zu Jahresbeginn einen gemeinsamen Vorschlag für die Höhe der Zuschüsse – und dem werde dann vom Bundestag „in aller Regel“ gefolgt.

So kommt es, dass die Subventionen für die Parteistiftungen laut Bundesrechnungshof von 2002 bis 2011 um beachtliche 31 Prozent gestiegen sind. Die überparteiliche Bundeszentrale für politische Bildung musste dagegen in den vergangenen Jahren zeitweise drastische Einschnitte hinnehmen und hat inzwischen trotz zusätzlicher Aufgaben ein kleineres Budget als 2010.

Aber bei ihr bekommt man ja auch nicht so viele ehemalige Parteigrößen unter, wie in den insgesamt sechs Stiftungen von CSU, CDU, FDP, SPD, Grünen und Linken.

* Die Höhe der Vergütung habe ich nachträglich eingefügt, nachdem mir die Ebert-Stiftung die Zahl genannt hatte.

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