Hans-Martin Tillack Also Herr von Dohnanyi,

man muß kein weltgereister investigativer Journalist sein, um eine alte Grundregel des Gewerbes zu beherzigen. Die lautet: Recherchiere, bevor Du über einen Sachverhalt schreibst. Rede mit beiden Seiten. Oder, um es auf Lateinisch auszudrücken: Audiatur et altera pars. Hätten Sie, Herr von Dohnanyi, diese Anfängerregel beherzigt, hätten Sie die vielen Fehler vermeiden können, mit denen Sie Ihre Auslassungen gespickt haben - sowohl die im vergangenen Jahr, wie Ihre Antwort in meinem Blog. Anscheinend haben Sie nicht einmal in der Presse verfolgt, was sich in meinem Fall abgespielt hat. Putzigerweise schreiben Sie, ich hätte mich ja bei Ihnen melden können, nachdem Sie über meinen Fall geschrieben hatten. Das scheint mir ein neuartiges Konzept von Journalismus: Erst über jemanden schreiben, dann mal sehen, was er dazu sagt. Liebe Journalistenschüler, so geht es leider nicht.

Zunächst: Den Namen meiner vom EU-Betrugsbekämpfungsamt Olaf gesuchten Informanten hat die belgische Polizei in den bei mir beschlagnahmten Unterlagen nicht finden können. Sie hätte diese Namen nirgends bei mir finden können, keine Sorge. Aber die Polizei hat bei mir 17 Kartons mit Unterlagen aus fünf Jahren mitgeschleppt und die Computerfestplatte kopiert – und zwar genauso wie bei Ihren Kollegen Weimer und Schirra die allerunterschiedlichsten Papiere. Die meisten hatten mit dem angeblichen Anlass der Razzia nichts zu tun, viele nicht mal mit Olaf. So etwas schüchtert potentielle Informanten ein und deshalb hat es nichts zu tun mit gerechtfertigter Strafverfolgung.

Warum Sie übrigens einen solchen Fischzug bei "Cicero" verwerflich finden, beim "stern" aber akzeptabel, haben Sie leider nicht erklärt.

Hätten Sie recherchiert, hätten Sie auch gewußt, dass ich nicht aus Akten einer internen Voruntersuchung zitiert und damit Ermittlungen behindert hatte. Ganz im Gegenteil. Wahr ist, dass ich zum Beispiel im Fall Eurostat aus Unterlagen von Untersuchungen zitierte, die seit drei Jahren liefen – ohne dass die Olaf-Ermittler irgendeinen Ermittlungsakt unternommen hätten. Wahr ist, dass Olaf mehrfach erst dann mit echten Ermittlungen begann, nachdem ich und andere Kollegen auf vernachlässigte Fälle hingewiesen hatten. Cui bono? Ganz gewiss dem Steuerzahler.

Anders als von Ihnen suggeriert, wird gegen mich auch nicht wegen Korruption ermittelt. Weil es dafür nicht den Hauch eines Anzeichens gibt. Deswegen kann auch kein Gericht aus der Welt schaffen, was Olaf seit über drei Jahren öffentlich verbreitet, ohne auch nur den Funken eines Beleges vorzuweisen.

Was Olaf hatte, war die Aussage des für Olaf zuständigen Kommissionssprechers, Joachim Gross. Der habe gehört, ich hätte 8000 Euro oder Mark für Unterlagen gezahlt. Seine Quelle wollte er erst nicht verraten, dann gab er an, der stern-Redakteur Wilfried Krause habe ihm das gesagt – diese Aussage machte Gross unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Als seine Aussagen doch bekannt wurden, wechselte er die Version und behauptete, seine Quelle sei irgend jemand in Brüssel gewesen. Den Namen könne er nicht nennen.

Kurz: Windiges vom Hörensagen. Beim stern würde mir unser Anwalt verbieten, so etwas zu drucken. Die Regeln beim "Sonntagsblick" kenne ich nicht. Wir hatten Gross, wie Sie in den Zeitungen hätten lesen können, sogar erfolgreich auf Unterlassung verklagt. Bis sein von der EU-Kommission bezahlter Anwalt die Karte der Immunität zog: EU-Beamte genießen das Privileg, dass man sie vor nationalen Gerichten nicht verklagen kann. Finden Sie das okay?

Für Olaf waren Gross‘ Aussagen trotzdem Anlass genug, mit "Dringlichkeit" eine Razzia bei mir vorzuschlagen. Warum dringlich? Weil ich dabei sei, nach Washington umzuziehen. In Wahrheit wußte der Olaf-Chef, Franz-Hermann Brüner, dass ich dabei war, nach Hamburg umzuziehen. Er hat das übrigens nie bestritten.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Sie halten Brüner für eine glaubwürdige Quelle? Nun, der Europäische Om-budsmann hat den Olaf-Chef in meiner Sache in aller Form der mehrfachen Falschaussage bezichtigt. Ich hoffe, Sie haben auch Quellen mit etwas mehr Integrität.

Merkwürdigerweise hat man Ihnen bei Olaf zu all dem etwas anderes erzählt? Tja, man soll sich halt nicht auf den Pressesprecher allein verlassen – bevor man Aussagen macht über das, was man "übersehen" kann. Oder ist es Ihnen einfach nicht gelungen, die Telefonnummer des stern zu recherchieren?

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