Gemurmel erfüllt den Klassenraum der 4 b. Aus knapp 100 Mitarbeitern hat sich eine kleine Delegation zusammengefunden - denn die nächste "Spinne"-Ausgabe steht vor der Tür. Die Schüler verpassen ihren Artikeln den letzten Schliff. Auch Carlotta und Marie sind fleißig. Ihre Beiträge haben die zwei Viertklässlerinnen schon auf der letzten Redaktionssitzung geschrieben: "Wir haben uns eine lustige Geschichte ausgedacht und ein Interview mit einer Klavierlehrerin gemacht". Nun fertigen beide Freundinnen zusammen kleine Spinnenzeichnungen an, die später das Deckblatt zieren sollen. Die gemalten Krabbeltierchen der Mädchen tragen Mützen oder haben grinsende Gesichter. "Unsere Zeitung soll nicht langweilig werden". Mit Spaß sind die Kinder als Journalisten und Gestalter bei der Arbeit. Sie sind stolz darauf, dass ihre Texte veröffentlicht werden.
Die Gründungsväter der Zeitung sind Mütter
Sich etwas auf ihre Zeitung einzubilden, das steht den jungen Reportern zu: Zum dritten Mal in Folge wurde die "Spinne" beim Schülerzeitungswettbewerb von der Jungen Presse Hamburg e.V. und der Behörde für Bildung und Sport zur besten Grundschul-Schülerzeitung Hamburgs erkoren. Die Geschichte der Zeitung ist allerdings älter als die des Wettbewerbs. Mütter gründeten das Blatt im Rahmen einer Projektwoche vor knapp zehn Jahren. Damals beschränkte sich die Ausgabe auf weniger als 20 Seiten, inzwischen kommen bis zu 52 Seiten zusammen. Heute betreuen immer noch Mütter zu fünft das Projekt. Chefredakteurin Bärbel Winter ist das sechste und letzte Jahr dabei. Nach ihrer Tochter verlässt nun auch ihr Sohn die Schule. Wer den Namen des Achtbeiners für die Zeitung gewählt hat, ist allerdings nicht nur ihr bis heute ein Rätsel.
"Interviews sind cool." Maxi, der zwei Tische weiter sitzt, hat nichts zu tun. "Bisher kam ich immer gut bei meinen Interviewpartnern an". Der Stolz in der Stimme des Jungen ist nicht zu überhören. Aus Langeweile hat er sich zu zwei seiner Mitschülerinnen gesetzt und plaudert ein bisschen aus dem Journalisten-Nähkästchen. "Die Anerkennung messe ich daran, wie freundlich mein Gegenüber zu mir ist". Angelina und Georgina sind jedoch zu beschäftigt, um zuzuhören. Die 9- und 10-jährigen Mädchen denken sich Witze für die Zeitung aus. "Wir kennen auch einen Anti-Lehrerwitz". Drei Tierwitze haben die Schulkameradinnen schon auf einem Blatt Papier festgehalten. "Aber den nehmen wir lieber nicht rein."
Witze sind die Beiträge, die am meisten gelesen werden. Vielleicht, weil Kinder gerne lachen. Interviews seien hingegen die beliebtesten Beiträge, wenn es um die Produktion geht, weiß Bärbel Winter. Vielleicht, weil Kinder sich gerne wichtig fühlen und auch ernst genommen werden wollen. Das Heft, dessen Cover wie buntes Patchwork aus Fotos und Zeichnungen aussieht, ist gefüllt mit einem Sammelsurium verschiedener Artikel. Jedoch taucht für eine Schülerzeitung neben Texten über den Schulalltag und Meerschweinchenreportagen auffällig oft Prominenz in Beiträgen der Schüler auf. Da wurde der Komiker Otto Wahlkes interviewt, mit dem Tagesschausprecher Jan Hofer geplaudert, einige Kinder haben schon den Autor Paul Maar, die Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig oder den Musiker Rolf Zuckowski mit Fragen konfrontiert.
Nicht um Stars, sondern vielmehr um Autos und die Fußballweltmeisterschaft handelt es sich in vielen von Jungs geschriebenen Artikeln für die nächste Ausgabe. Auch Paul sitzt mit zwei Freunden vor dem Computer im PC-Raum der Schule. Er bastelt an einem Artikel über die schnellsten und teuersten Autos. Google ist da gut. Die Lütten können nicht nur schon eine Tastatur bedienen, sondern surfen ebenso selbstverständlich im Internet. "Wir wollen erklären, was die Karossen alles drauf haben". Paul mag Autos und Technik. "Aber schöne Fotos sind genauso wichtig".

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Handarbeit ist gefragt
Nicht an allen Grundschulen lernen die Kinder so schnell mit der modernen Technik des 21. Jahrhunderts umzugehen. Auch Schülerzeitungen sind eher eine Seltenheit. An der Schule im Hamburger Nobelstadtteil Nienstedten gehen die Kinder jedoch routiniert mit USB-Sticks und Megabytes um. Wenn es in die heiße Endphase kurz vor dem Druck des halbjährlich erscheinenden Magazins geht, ist allerdings noch Handarbeit gefragt. Die Betreuerinnen treffen sich mit wenigen Schülern und kleben dann die Seiten einzeln zusammen. Das sei schöner als am PC, findet Bärbel Winter, weil sie sonst auf die vielen liebevoll gemalten Illustrationen der Kinder, welche die Zeitung ihren Charme verleihen, verzichten müssten. Aber nicht nur schöner, sondern auch ruhiger geht es in der kleinen Gruppe zu. Bei jedem der fünf großen Redaktionstreffen herrsche immer das Chaos, meint die Chefredakteurin. Das ist kaum verwunderlich, wenn 100 Dritt- und Viertklässler auf einmal recherchieren, tippen und herumwuseln. Ist das Heft aber erst einmal gedruckt, freuen sich alle. Die "Spinne" hat allerdings einen stolzen Preis von 2, 50 Euro.
Viele Autoren und Illustratoren sind fertig, bevor die Schulglocke läutet. Sie bilden eine kleine Traube um Bärbel Winter. Alle wollen ihre korrigierten Geschichten, ausgedachten Witze und Bilder von Spinnen bei der Mutter loswerden. "Schade, dass ich es nie schaffe, mir alles ganz genau durchzusehen". An den Texten verändern die Frauen kaum etwas. "Ganz plumpe Rechtschreibfehler korrigieren wir, wenn sie uns auffallen und ab und zu muss aus Platzgründen gekürzt werden." Die Schülerredakteure haben wieder viel geschafft. Die nächste Ausgabe kann kommen. Die Lütten gehen mit so viel Elan und Selbstbewusstsein an die journalistischen Tätigkeiten heran, dass es den Eindruck erweckt, sie alle seien die Reporter von morgen. Umso verwunderlicher sind die vielfältigen Berufswünsche der Schüler von Architekt und Tierärztin über Visagistin und Formel-1-Rennfahrer. Journalist wird kein einziges Mal erwähnt. Angelina weiß vielleicht, warum das so ist. In dem Bekanntenkreis ihrer Familie gibt es eine Journalistin. "Wenn die von ihrem Beruf erzählt, klingt das immer so wahnsinnig stressig". Dann läutet die Schulglocke. Das Mädchen drückt Bärbel Winter ihre Witze in die Hand und verschwindet in die Pause.