Patenschaftsnetzwerk

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Video: Verein organisiert Transfer afghanischer Ortskräfte

Video Verein organisiert Transfer afghanischer Ortskräfte

Tausende Kilometer liegen hinter ihnen, sichtlich müde und geschafft sind am Dienstag zahlreiche Familien afghanischer Ortskräfte am Frankfurter Flughafen in Empfang genommen worden. Sie waren über ein Drittland zunächst nach Istanbul geflogen. Das Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte hat die Menschen ohne staatliche Unterstützung nach Deutschland ausgeflogen, auch die Kosten für Flug oder Visa wurden vom Verein übernommen, erklärt Lucas Wehner, Regionalleiter Süd-West des Vereins. "Ja, wir erwarten heute 56 Personen, neun Ortskräfte, Familien, die früher für die Bundeswehr gearbeitet haben. Und, ja, in den letzten Wochen haben wir schon einige Familien hierher holen können. Bis zum Ende des Monats November werden wir über 150 Personen rausgeholt haben." Den Familien war es nicht gelungen, einen der Evakuierungsflüge Ende August zu erreichen. Die Ausreise über den Landweg gestalte sich laut Auswärtigem Amt speziell für afghanische Staatsangehörige schwer. Warum nun ein Verein für die Menschen sorgen muss, erklärt sich Wehner mit einem fehlenden politischen Willen der Bundesregierung. "Aktuell dürfen zum Beispiel Ortskräfte, die vor 2013 für die Bundesregierung gearbeitet haben, immer noch nicht in das Ortskräfte-Verfahren aufgenommen werden. Und wir hoffen, dass die neue Bundesregierung die 2013er Regel auflösen wird und vor allem dann auch ein Betreuungsprogramm für diese Ortskräfte hier in Deutschland aufsetzen wird." Das Patenschaftsnetzwerk hat nach eigenem Bekunden Verbindung zu mehr als 1.000 Ortskräften, die noch im Land verblieben sind.
Video: Ich bin da sehr emotional - Deutsche Helfer sehen kaum noch Chancen für Ortskräfte in Afghanistan

Video Ich bin da sehr emotional - Deutsche Helfer sehen kaum noch Chancen für Ortskräfte in Afghanistan

Der Evakuierungseinsatz der Bundeswehr in Kabul ist beendet. Die flog laut Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer insgesamt mehr als 5.300 Menschen aus, darunter rund 500 Deutsche und mehr als 4.000 Afghanen. Insgesamt 10.000 Afghanen sind der Bundesregierung zufolge als schutzwürdig eingestuft. Der Leiter des Patenschaftsnetzwerks Afghanische Ortskräfte, Marcus Grotian, sieht kaum noch Chancen, die Ex-Helfer der deutschen Truppen noch aus der afghanischen Hauptstadt zu bringen. Im Interview am Freitag verweist er auch auf die große Gefahr für die Zurückgelassenen. "Also wenn alle Menschen afghanischer Nationalität, die in den Flugzeugen waren, Ortskräfte waren und ihre Familienangehörigen, was wir wissen, dass nicht der Fall ist, dann haben wir immer noch circa 50 Prozent der Ortskräfte zurückgelassen, auch aufgrund der Tatsache, dass die Personengruppe dann letztendlich immer mehr gewachsen ist in den letzten Tagen. Was dann aber nicht mehr dazu geführt hat, dass die dann auch irgendwie eine Chance hatten. Nur weil man vor zwei Tagen entschieden hat, dass gewisse Menschen jetzt auch antragsberechtigt sind oder in ein Flugzeug hätten steigen dürfen, das hat die Kapazität nicht erhöht. Und die Chance dieser Menschen war gleich null, und dementsprechend sind die jetzt auch immer noch da." "Die Möglichkeit für Ortskräfte Deutschlands rauszufliegen, ist jetzt ja nicht mehr vorhanden. Das deutsche Kontingent hat abgebaut und ist da nicht mehr vorhanden. Deshalb, die sind natürlich verbittert und frustriert und auch hoffnungslos. Denn so richtig, wie es jetzt weitergehen soll, wissen sie alle nicht." "Also schnell und einfach wird es da gar nichts geben. Und für uns ist das Problem, dass viele Ortskräfte in den letzten Tagen erst antragsberechtigt für Visa oder zu dem berechtigten Kreis hinzugefügt wurden und die natürlich auch nicht alle - oder viele von denen haben die nötigen Papiere gar nicht, mussten sie vielleicht schon abgeben, sind beim dritten Mal durch den Checkpoint bei den Taliban gehen, wurde ihnen etwas weggenommen oder sie haben es weggeworfen. Das sind halt alles Rahmenbedingungen, die machen es nicht einfacher." "Uns ist bekannt, dass der Bruder einer Ortskraft erschossen worden sein soll von den Taliban. Das lässt sich, wie gesagt, alles nicht verifizieren. Aber Racheakte soll es geben, temporär oder lokal. Und das kann man alles nicht mehr aufklären. Und wie das denn so sein wird, wenn wir in zwei, drei, vier, fünf Wochen nach Afghanistan blicken - uns graust davor." "Ich bin da sehr emotional. Ich bin da sicherlich nicht die objektivste Quelle. Aber vielleicht macht das das ja auch ein bisschen authentisch, dass es hier um Menschenleben geht und ging, die wir aufnehmen wollten und es nicht geschafft haben, die in Sicherheit zu bringen als eines der reichsten Länder der Welt. Das ist halt eine Rahmenbedingung, die, wenn man sich anguckt, wie viel Zeit und Energie in diesen Einsatz geflossen ist, dass man dann am Ende es nicht geschafft hat, 2.000 Menschen, die visaberechtigt gewesen wären, in zwei Monaten zu einem Visa zu verschaffen. Da bin ich baff erstaunt."
Afghanistan: Ortskräfte-Helfer Marcus Grotian attackiert Bundesregierung scharf

Soldat Marcus Grotian Afghanistan: Ortskräfte-Helfer attackiert Bundesregierung scharf: "Diese Zahlen sind mitnichten richtig!"

Sehen Sie im Video: Afghanistan – Ortskräfte-Helfer Marcus Grotian attackiert Bundesregierung scharf.




Marcus Grotian, Vorsitzender Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte e.V.: "2500 Ortskräfte sollen es gewesen sein und davon sind ja auch schon 1900 in Deutschland. Diese Zahlen sind mitnichten richtig. Es gab eine viel größere Personenanzahl an Ortskräften, denn sie wurde durch bürokratische Hürden runter reduziert – um zirka 50 Prozent. Auch nachdem die 2000 Seelen am 16.06. zusätzlich antragsberechtigt waren. Wir sind das einzige Land, das eine zeitliche Begrenzung für die Ortskräfte hat. In diesen Minuten werden Menschen abgelehnt, weil sie nicht auf Listen stehen, am Flughafen in Kabul, weil sie zu einer Zeit für ein Ressort gearbeitet haben, was nicht bürokratisch erfasst ist. Alle anderen Länder evakuieren jetzt alle Ortskräfte, wir evakuieren die, die man ausgewählt hat. [...] Ich kritisiere hier die politischen und bürokratischen Entscheidungen, die viel zu spät oder immer noch nicht getroffen wurden, um Ortskräfte zu retten. Ortskräfte mit einem Arbeitsvertrag für ein deutsches Ministerium, die abgelehnt werden, weil sie zur falschen Zeit für das falsche Ministerium gearbeitet haben. Und da sind wir noch nicht einmal bei der Subunternehmer-Thematik, die es sich immer noch lohnt zu streiten. Aber ich rede hier erst einmal nur von Ortskräften, Menschen mit einem direkten Arbeitsvertrag."