Wer mit dem Zug zum Ausgangspunkt der neuen Weitwanderroute durch Graubünden mit dem Zug anreist, sieht schon einen Teil des Weges vom Zugfenster des berühmten Bernina-Expresses aus. In endlosen Kehren winden sich Pfad und Trasse vom 2253 Meter hohen Berninapass in das Valposchiavo in Richtung Italien nach Tirano (429 Meter) hinab. Die höchste Eisenbahn ohne Zahnradantrieb in den Alpen ist zusammen mit der Albula-Strecke Teil der Unesco-Weltkulturerbes.
Tag 1: Poschiavo – Berninapass
Strecke: 14,6 Kilometer, 1254 Höhenmeter, 6 Stunden
Die fünftägige Wanderung beginnt in Poschiavo auf ungefähr 1000 Meter Höhe über dem Meer, einem Dorf mit den steinplattengedeckten Häusern und einem Straßenzug mit ungewöhnlichen Palazzi, die von Puschlavern im 19. Jahrhundert errichtet wurden, nachdem sie in Italien und Spanien als Zuckerbäcker zu Reichtum gekommen waren.
Der auf gelben Schildern gut markierte Weg 53 leitet zunächst durch Wälder und Wiesen zum Gletschergarten Cavaglia und steiler zur Alpe Grüm, einer isoliert gelegenen Bahnstation und dem Ristorante Belvedere. Über der Baumgrenze geht es anschließend fast immer parallel zur Bahnlinie am Lago Bianco vorbei bis zum Passo del Bernina mit seinem Hospiz.
Wer noch Zeit hat, sollte einen Blick in die vor drei Jahren eröffnete Camera Obscura werfen. In dem dunklen Raum sehen die Augen zunächst nichts. Aber nach zehn Minuten Gewöhnung an die Dunkelheit taucht auf der runden Wand schemenartig die Außenwelt auf: das auf dem Kopf stehende Alpenpanorama – wie das Bild einer analogen Webcam.
Tag 2: Berninapass – Diavolezza
Strecke: 13 Kilometer, 1240 Höhenmeter, 5 Stunden
Hinab zur Lago Bianco und dem Lej Nair, der Wasserscheide zwischen Adriatischem und Schwarzem Meer und ins einsame Val d'Arlas. Bald sind die Geräusche der auf der Passstraße beschleunigenden Motorräder nicht mehr zu hören, dafür begleitet einen das Pfeifen der Murmeltiere. Das Grün der Almen ist längst Geröllfeldern gewichen. In Türkisblau liegt bald der Lej da Diavolezza unter einem, und die benachbarte Seilbahn transportiert lautlos auf bequemen Wege Gäste zur Bergstation Diavolezza.

Was für ein grandioses Panorama erwartet einen nach fünf Stunden Gehzeit: die Gletscherwelt des Piz Palü und der Bernina-Gruppe. In der Literatur wird der Blick von der Diavolezza, der "Teufelin", oft "Festsaal der Alpen" genannt. Diese Formulierung geht auf eine Publikation Walther Flaigs (1893-1972) zurück, einem frühen NSDAP-Mitglied, der unter anderem jüdische Fluchthelfer ausspionierte und 1944 von einem Schweizer Gericht zu 30 Monaten Gefängnis und einem Einreiseverbot in die Schweiz verurteilt wurde.
Tag 3: Diavolezza – Pontresina
Strecke: 14 Kilometer, 1125 Höhenmeter, 5 Stunden
Heute heißt es zunächst die Knie schonen: Per Seilbahn geht es in einer Viertelstunde hinab ins Tal und auf der gegenüberliegenden Seite ins Val da Fain. Dort beginnt der Aufstieg auf 2700 Meter zur Fuorcla Pischa, einem Hochtal mit mehreren kleinen Seen bis zur Alp Languard – mit einem fantastischen neuen Ausblick auf den Piz Bernina.

Auf dem Weiterweg nach Pontresina zurück ins Val Bernina kann ab der Alm ebenfalls auf eine Abstiegshilfe mit dem Sessellift zurückgegriffen werden. Der Bergsteigerort ist für seine Unterkünfte bekannt, insbesondere für das im Jungendstil erhaltene Grand Hotel Kronenhof.
Tag 4: Pontresina – Surlej
Strecke: 14 Kilometer, 1070 Höhenmeter, 5 Stunden
Kurswechsel in Richtung der vergletscherten Berge: Aus dem 1800 Meter hoch gelegenem Ort geht es durch das beschauliche Val Roseg gemächlich aufwärts zum Ausflugslokal Roseg Gletscher mit seinem verführerischen Kuchenbüfett.
Gestärkt heißt es nun über die verlassene Alp Surovel an Höhe gewinnen. Doch mit jedem Meter werden die Ausblicke eindrucksvoller auf den Piz Monteratsch, den Piz Bernina mit dem firnbedeckten Biancograt und den Piz Roseg, bis der Pass an der Fuorcla Surlej erreicht ist. Nur noch eine knappe Stunde sind es im Abstieg bis zur Murtel, der Mittelstation der Corvatsch-Seilbahn, die einen in Windeseile nach Surlej, dem letzten Ort zum Übernachten, hinabschweben lässt.
Tag 5: Surlej – Maloja
Strecke: 15 Kilometer, 210 Höhenmeter, 4 Stunden
Am letzten Tag heißt es zunächst zurück nach Murtel per Seilbahn und mit dem Tiefblick auf die ganz anders geartete Landschaft des Oberengadins laufen. In dem Hochtal des Inns funkeln silbern die Silvaplanersee und dem Silsersee.
Ab jetzt geht es zum Ausklang fast nur noch bergab. Der Höhenweg führt über die Alp Prasüra nach Sils, dem Ort mit zwei berühmten Bauten: dem Nietzsche-Haus im Ortskern, in dem der Philosoph in den Sommermonaten der 1880er-Jahre unter anderem "Also sprach Zarathustra" schrieb, und dem Waldhaus Sils, einem in fünfter Generation familiengeführten Hotel, das wie eine Burg über dem Ort thront.
Im Ort Maloja beim gleichnamigen Pass endet der Weitwanderweg 53. Auch gilt es wieder Gletschertöpfe wie am ersten Tag in Cavaglia zu bestaunen. Bevor einen der Postbus zurück nach St. Moritz in eine komplett andere Welt befördert, heißt es erstmal die geschundenen Füße und Blasen im kühlen Quell- oder Seenwasser abkühlen.
Weitere Infos: www.graubuenden.ch, www.schweizmobil.ch, www.eurotrek.ch
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