Afghanistan Oase mit Pool in Kabul

  • von Stefanie Zenke
Bis in die späten 70er Jahre war Kabul das Ziel junger Europäer, die auf dem Landweg nach Indien reisten. Statt Hippies kommen heute Geschäftsleute und Abenteurer in die zerbombte Stadt. Symbol des Wiederaufbaus ist die von Kaiser Babur angelegte Gartenanlage. stern.de durfte einen ersten Blick in den frisch restaurierten Palast werfen.

Wenn Sie den Namen Kabul hören, denken Sie dann an einen Garten voller Rosen, die in üppiger Blüte stehen? Oder an Familien, die ihre Decken im Grünen zum Picknick ausbreiten – oder gar an vergnügte Kinder, die auf gepflegtem Rasen Purzelbäume schlagen? Was für ein Unsinn, denken Sie jetzt, die Hauptstadt Afghanistans mit solch einer Idylle gleichzusetzen. Wo doch jeder weiß, dass in dem Land seit Jahren Krieg herrscht.

Doch es gibt diese Blumenpracht und das Kinderlachen – mitten in Kabul. In der einzigen Oase der Stadt - der Gartenanlage Bagh-e Babur. Auf elf Hektar Fläche erstreckt sich der mondäne Garten im Westen der Hauptstadt. Er sieht aus wie ein aus Europa importierter Barockgarten, nur schlichter. In Terrassen aufgeteilt verläuft er entlang eines sanft ansteigenden Berghangs, umgeben von einer sieben Meter hohen Mauer. Kaskaden unterbrechen die Rasenfläche, die Wasserläufe sind jedoch meist leer – Wasser ist in Kabul knapp.

Zum Gelände gehören auch eine Moschee, ein Palast, ein Pavillon und ein Mausoleum – und nicht zu vergessen: ein Schwimmbad. Keine zehn Meter vom Geplansche entfernt, hinter dicken Mauern, finden sich jene Bilder wieder, sie sich in vielen unserer Köpfe eingebrannt haben: Zerstörte Häuser, bettelnde Straßenkinder, Frauen die Burka tragen und bärtige Männer in weiten Gewändern. Aus den Slums der Ärmsten quillt der Müll.

20 Millionen Dollar für den Wiederaufbau

Bagh-e Babur ist der derzeit einzige Naherholungsraum in Kabul. Das klingt zynisch, in einer vom Krieg gezeichneten Stadt, in einem Land, das innerhalb von 30 Jahren bis auf die Grundmauern zerschossen wurde. Dort, wo es heute nach Granatapfel- und Fliederbäumen duftet, Kinder ihre Drachen steigen lassen, wütete im Frühjahr 1992 nach dem Kollaps des Revolutionsregimes der grauenvolle Bürgerkrieg. Die historische Gartenanlage Bagh-e Babur, die einst Kaiser Babur (1483 – 1530) – der Begründer der Moguldynastie – hatte errichten lassen, wurde dem Erdboden gleich gemacht.

Heute ist an dieser Stelle der international unterstützte Wiederaufbau sichtbar: Zehn Jahre nach der Zerstörung wurden die Ruinen vom Kriegsmüll befreit, es begann die Restaurierung der historischen Stätte, die die Bürger Kabuls geliebt haben, die immer ein gut besuchter Platz der Ruhe und Abgeschiedenheit war. Etwa 20 Millionen US-Dollar soll der Wiederaufbau von Bagh-e Babur gekostet haben. Die Investition in den Garten erfolgte nicht auf Kosten des Gesundheitssystems oder von anderen sozialen Einrichtungen. "Die unterschiedlichen Projekte nehmen sich das Geld nicht weg", sagt Ute Franke, Mitarbeiterin des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin. Es gebe unterschiedliche Geldtöpfe, so auch einen nur für kulturelle Zwecke. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes in Berlin hat sich die Bundesregierung in den Jahren 2002 bis 2007 mit 1,3 Millionen Euro an Bagh-e Babur beteiligt.

Anfang 2007 wurde der Park wieder eröffnet. Die Gebäude sind bis zur Fertigstellung für die Besucher noch passe. stern.de hat bereits einen Blick ins Innere des Palastes werfen dürfen. Das verwendete Material ist vom Feinsten: Der Boden ist aus afghanischem Marmor, die Decken und Fensterrahmen aus hellem Holz. "Alles Handarbeit", schwärmt ein Mitarbeiter, der durch die großzügig geschnittenen Räume führt. Stilvolle Lampen sorgen für atmosphärisches Licht, die Flure sind mit Stuck verziert.

Hochzeiten, Konferenzen und andere Veranstaltungen sollen hier in Zukunft stattfinden. Auch ein Kino und eine Diskothek wird es geben. Wer auf der breiten Terrasse des Palastes steht, die mit Säulen aus Stahl umrahmt wird, kann seinen Blick über die braune Stadtmasse werfen, über der meist eine staubige Dunstglocke hängt. Unterhalb des Palastes, am Fuße des Berghangs, steht ein Klinkerbau mit Katakomben. Hier sollen bald ein Basar und ein Restaurant eröffnet werden.

Reisewarnung für das kontrastreiche Kabul

Wer den schönen Bagh-e Babur verlässt, taucht ein in die brutale Realität: Afghanische Polizei säumt die Straßen, es geht vorbei an zerbombten Häusern, der Verkehr ist höllisch, die überfüllte Stadt erstickt im Dreck und Staub. Auf den Basaren drängen sich Männer durch die schmalen Gassen, nur wenige Frauen sind unterwegs. Abseits des Gewusels bietet Kabul in der Innenstadt auch gleich mehrere Einkaufszentren mit Läden für iPods, Schmuck und schicke Klamotten. Im Fünf-Sterne-Hotel Serena wird sogar Schwarzwälder Kirschtorte serviert.

Die afghanische Hauptstadt ist mit der Welt verbunden. Es sind meist Geschäftsleute, Ingenieure, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Journalisten, die nach Kabul und weiter ins Landesinnere reisen. Es bleibt jedoch eine gefährliche Mission, denn die Sicherheitslage ist weiterhin unsicher, das Auswärtige Amt warnt ausdrücklich vor Reisen. Wer es dennoch tut, dem raten die Einheimischen, sich an ein ungeschriebenes Gesetz zu halten: Zwischen sieben und neun Uhr morgens die Straßen Kabuls zu meiden – um diese Zeit geschehen die meisten Selbstmordattentate. Auch wenn die ersten Rosenbüsche im Bagh-e Babur wieder blühen, der Krieg ist noch lange nicht vorbei.

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