Wir haben vor ihr gezittert, gilt sie doch als das stürmischste Meergebiet der Erde. Doch die berüchtigte Drake-Passage hat sich als Ententeich herausgestellt. Das Expeditionsteam traute seinen Augen kaum, aber das Wasser zwischen Südamerika und der Antarktis war glatt wie die Hamburger Binnenalster. Es war so wenig Wind, dass selbst die Albatrosse das Fliegen einstellten. Anstatt wie ein Korken im Wellengang zu schaukeln, erlebten wir einen karibisch anmutenden Seetag. Naja, die Temperaturen waren etwas niedriger. Selbst die alten Hasen unter uns konnten sich kaum an eine so ruhige Überfahrt nach Südamerika erinnern. Doch so stieg unsere Vorfreude auf Kap Hoorn noch, gelingt hier, wo sich Atlantik und Pazifik treffen, eine Anlandung leider nur in 40 Prozent der Versuche. Dieses legendäre Kap wurde 1616 von den holländischen Seefahrern Jacques Le Maire und Willem Schouten entdeckt, und Schouten benannte es nach seiner Heimatstadt Hoorn.
Der Sonntagmorgen bestätigt unsere Hoffnungen: Ein wunderschöner Sonnenaufgang lässt das Kap in einem surrealen Pink erstrahlen, und es fällt schwer, sich vorzustellen, dass über 15.000 Seeleute an dieser Stelle ihr Leben gelassen haben. In der Entfernung sehen wir das berühmte Denkmal, einen stilisierten Albatros: Der Legende nach kehren die toten Seeleute als Albatrosse ins Leben zurück. Wir erklimmen das Hochplateau und besichtigen die Wetterstation, die kleine Holzkirche und natürlich das Denkmal. Das Wetter bleibt uns gewogen, Kap Hoorn bei annähernd Windstille und Sonnenschein ist ein passender Schlusspunkt unter eine bemerkenswerte Reise.
In den letzten drei Wochen haben wir über 6800 Kilometer zurückgelegt und 19 Anlandungen geschafft. Mit Ehrfurcht und Neugierde folgten wir den Spuren Shackletons, Charcots und anderer Legenden der Polarforschung. Imponiert haben uns die Pinguine, Robben und Wale und ihre Fähigkeit, sich an den Lebensraum "Gefriertruhe" anzupassen, ebenso wie die Menschen, die auf den wissenschaftlichen Stationen nach Antworten auf unterschiedliche Fragen suchen. Die Eindrücke der Antarktis werden eine lange Halbwertszeit im Gedächtnis haben und die, die diese letzte große Wildnis unseres Planeten besuchen durften, sind für immer verändert. Wir haben das Privileg genossen, Ihnen aus dieser Welt berichten zu dürfen und hoffen, dass unsere Schilderungen und Bilder ein wenig von der Einzigartigkeit dieser Landschaft und ihrer Bewohner transportieren konnten.
Schiff ahoi,
Ihr Oliver Krüger & Michael Poliza