Kreuzfahrt-Boom "Spaßschiffe" geben die Richtung vor

Die Kreuzfahrtbranche macht sich auf, den Massenmarkt zu erobern. Weg vom Image als elitäres Seniorenvergnügen und hin zum jugendlichen Clubhotel-Gefühl auf Planken geht die Reise.

Der Urlaub auf den Weltmeeren boomt: Inzwischen wurde die Rekordmarke von 12 Millionen Kreuzfahrt-Gästen (plus 12,6 Prozent) international überschritten. In Deutschland fiel das Plus mit knapp 15 Prozent sogar noch kräftiger aus. Fast 380.000 Passagiere tourten im Sommer 2000 zum Beispiel im Mittelmeer, im Winter ging es mit Vorliebe in die Karibik. Hinzu kamen rund 190.000 Gäste auf Flussdampfern von der Donau bis zum Nil. Nach einer eher gemächlichen Phase in der deutschen Seereisebranche sorgen nun ausländische Kreuzfahrt-Konzerne für den stürmischen Wandel.Während die 1957 gebaute 'TS Albatros' mit ihren zwei Restaurants und 750 meist deutschsprachigen Gästen als kleiner "Klassiker" die Ozeane überquert, steuern die anglo-amerikanischen Kreuzfahrtgiganten einen ganz anderen Kurs. Sie wollen den Massenmarkt erobern. Dafür bauen sie schwimmende Freizeitparks mit mehreren Schwimmbädern, Kasino, Theater, Shopping-Center und manchmal sogar ein 9-Loch-Mini-Golfplatz wie auf der 'Explorer of the Seas' (Royal Caribbean). Über 3000 Passagiere können auf dem Super-Dampfer im Hochsommer auf der Eisbahn Schlittschuh laufen oder auf der Kletterwand hinterm Schornstein kraxeln.

"Freestyle Cruising" soll die Jungen ködern

Bis 2005 stechen nach Reederei-Angaben etwa 50 neue "Vergnügungsdampfer" in See - mehr als die Hälfte davon sind für über 2000 Passagiere ausgelegt. Die größten Hoffnungen richten sich auf eine untypische Klientel: junge Partygänger und Familien. Für sie wurde das "Freestyle Cruising" entwickelt, das Kreuzfahren ohne Kleiderregeln und Tischordnung, dafür mit Erlebnisgastronomie, Sportstudios und Feng-Shui-Seminaren. Das Schiff selbst wird statt der Zielhäfen "zur eigentlichen Destination", wie der Frankfurter Kreuzfahrtexperte Alf Pollak formuliert.Auf großen Teilen des europäischen Festlandes muss die Branche allerdings weiter gegen ein antiquiertes Image kämpfen. Die Luxusliner gelten oft als teure, schwimmende Seniorenheime mit strikten Essenszeiten, Anzugzwang und verordneter Gruppenlustigkeit, klagen Branchenkenner. Nicht einmal ein halbes Prozent der Deutschen buchen eine Kreuzfahrt (Umsatz 2000: knapp 1,5 Milliarden Mark). Das Potenzial jedoch wird doppelt so hoch auf 800.000 Reisende geschätzt. Optimisten hoffen sogar auf bis zu 2 Millionen Gäste.

Weg vom elitären Image

Die verjüngte Selbstdarstellung sei zwar noch nicht bei allen Verbrauchern angekommen, aber bei den Angeboten lasse sich auch hier zu Lande eine Auffächerung beobachten, berichtet Branchenexperte Heiko Reuter vom Fachblatt 'FVW International' in Hamburg. "Die Kreuzfahrt als Reiseform ist dabei, sich von ihrem elitären Image zu lösen. Die Anbieter wollen sie zu einer normalen Urlaubsform machen."Die internationalen Konzerne lassen sich das Aufrüttlen des schlummernden deutschen Marktes Einiges kosten. Der britische Konzern P&O Princess, weltweit der drittgrößte Anbieter, hat eine milliardenschwere Marketingkampagne für Deutschland gestartet. Die zum Konzern gehörende 'Aida' (Seetours) mit einem Kussmund am Bug gilt als deutsche Erfolgsantwort auf das Club-Konzept. Das Durchschnittsalter der Gäste auf dem "Spaßschiff" wurde auf 41 Jahre gesenkt - während sonst die Passagiere in ihren 50ern und 60ern den Ton angeben.Die Genueser Reederei Costa Crociere (Mutter: Carnival Corp./USA) wiederum setzte ab 2002 die 'Costa Marina' als rein deutsches Schiff ein. Und Royal Caribbean Cruises (USA), die vor zwei Jahren nur mit zwei Objekten in Europa aktiv waren, wollen sieben Hotelschiffe im Programm haben.

Trend: Kürzer und günstiger

Parallel zur Marktoffensive der Großkonzerne sind die Reisepreise in Bewegung geraten. "Kreuzfahrten werden insgesamt günstiger, unter anderem auch, weil immer mehr kürzere Touren angeboten werden", berichtet Hubert Schulte-Schmelter, Direktor beim Bonner Seereise-Spezialisten Phoenix. Es gebe inzwischen "für fast jeden Geschmack und fast jeden Geldbeutel ein passendes Angebot", bestätigt Heiko Reuter. "Heute kann eine Kreuzfahrt zwischen 1000 und 60.000 Mark kosten."Manchen deutschen Veranstaltern geht der Kurswechsel fast zu weit. So will man bei Seetours (Neu-Isenburg) von den in der Branche diskutierten Discountseereisen für ein "Ballermann"-Publikum nichts wissen. Der Seefahrtexperte Pollak rät zudem, die Älteren nicht zu verprellen. Für betagte Reisende mit gut gefüllten Brieftaschen wäre ein reines Spaßschiff womöglich nicht passend - und die Gruppe der Alten wird schließlich immer größer.

DPA
Petra Kaminsky

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