Giftgrün und bis zu 230 Kilometer pro Stunde schnell – mit neuen Zügen will der private Fernzuganbieter Flixtrain offenbar zum Großangriff auf die Deutsche Bahn blasen.
Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben vom Dienstag 30 Hochgeschwindigkeitszüge beim spanischen Hersteller Talgo bestellt und sich eine Option auf 35 weitere gesichert. Damit weitet Flixtrain seine Flotte quantitativ und qualitativ deutlich aus. Bislang bietet Flixtrain Verbindungen auf vier Linien in Deutschland an und setzt dabei auf modernisierte Waggons von Partnerunternehmen, die schon in den 1990er Jahren bei der Deutschen Bahn im Einsatz waren und maximal mit Tempo 200 unterwegs sein dürfen.
Flixtrain gibt Milliardenbetrag aus
Durch die neuen Züge könnten nun deutlich mehr Verbindungen bedient werden. Was Flixtrain aber genau mit ihnen vorhat, lässt Chef André Schwämmlein vorerst offen. "Wir (...) werden unser Angebot in den kommenden Jahren deutlich vergrößern", sagt er laut Mitteilung. "Mit dem starken Ausbau unserer Zugflotte starten wir eine neue Ära des Zugreisens in Deutschland und Europa."
Trotz der Liberalisierung des Fernzugmarktes ist Flixtrain bisher der einzig nennenswerte Konkurrent der Deutschen Bahn, kommt aber mit den übrigen Anbietern nur auf einen Marktanteil von nicht einmal fünf Prozent. Das will Schwämmlein ändern. "Wir wollen nicht nur unseren Marktanteil erhöhen, sondern auch den Markt selbst deutlich vergrößern." Geschehen soll das unter anderem durch eine Ausweitung des Streckennetzes ins europäische Ausland. "Wir sehen Flixtrain als ein europäisches Produkt. Ausgehend von unserem Heimatmarkt wollen wir das Angebot auch in anderen Ländern verfügbar machen."
Die neuen Talgo-Züge sollen auch in ausländischen Netzen einsatzfähig sein, laut Hersteller zunächst in Österreich, den Niederlanden, Dänemark und Schweden. Außerdem sollen sie barrierefrei und auf dem neuesten Stand der Technik sein, inklusive Wlan an Bord. Gezogen oder geschoben werden sollen die Züge von neuen Lokomotiven des deutschen Herstellers Siemens. Insgesamt will die Münchener Flix SE, die hinter Flixtrain steht, bis zu 2,4 Milliarden Euro für ihren neuen Fuhrpark ausgeben.
Bemerkenswert ist, dass die Deutsche Bahn zuletzt ebenfalls bei Talgo mehr als 70 Züge des gleichen Modells geordert hat. Sie sollen unter dem Namen ICE L unter anderem auf der Verbindung von Berlin nach Amsterdam zum Einsatz kommen und dort die Jahrzehnte alten Intercity-Züge ersetzen. Obwohl der Einsatz der Talgo-Züge zunächst ab 2024 angekündigt war, sind sie bisher nicht in Betrieb genommen worden – technische und Lieferprobleme verzögerten dies bisher. Möglicherweise wird der ICE L nicht vor 2026 unterwegs sein.
Auf dem Weg zum "Wow-Effekt"? Das bieten die neuen Fernzüge der Bahn – und hier sollen sie fahren

Wann genau Flixtrain mit den neuen Zügen seine Offensive starten will, ist noch unklar. Auch ob es dem Unternehmen gelingt, der übermächtig wirkenden DB im großen Umfang Fahrgäste abzuluchsen, ist alles andere als sicher. Denn auch die giftgrünen Züge sind auf demselben Netz unterwegs wie die des Platzhirschen – und das ist bekanntermaßen an vielen Stellen marode und längst ausgelastet.
Was Flixtrain genau vor hat? Unklar
Die Rahmenbedingungen im Fernverkehr seien komplizierter geworden, meint Verkehrsforscher und Eisenbahnexperte Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. "Ein erhebliches Problem ist die Überlastung", sagt der Fachmann zur Nachrichtenagentur DPA. Das Schienennetz sei zu voll. Die Diskussion gehe eher dahin, die Zahl der Zugfahrten zu reduzieren, anstatt neue hereinzugeben.
Auch steigende Trassenpreise, die die Verkehrsunternehmen für die Nutzung der Schienen zahlen müssen, könnten zum Problem werden. Deshalb sagt Böttger zu dem Ausbau: "Das ist schon ein einigermaßen riskanter Schritt, da die Rahmenbedingungen komplett unklar sind."
Flixtrain-Chef André Schwämmlein scheint auch auf Schützenhilfe aus Berlin zu setzen. "Die neue Bundesregierung hat die Bedeutung wettbewerbsfreundlicher Rahmenbedingungen für die Schiene erkannt. Werden die vereinbarten Maßnahmen zügig umgesetzt, kann das für größere Investitionen auf dem deutschen Markt sorgen."
In ihrem Koalitionsvertrag haben sich SPD, CDU und CSU darauf geeinigt, verlässlich mehr Geld in das deutsche Schienennetz stecken zu wollen. Ministeriellen Segen gibt es schon mal. Der neue Ressortchef Patrick Schnieder (CDU) spricht mit Blick auf die Flixtrain-Investition von einem "starken Signal für den Schienenmarkt". Denkbar ist Branchenexperten zufolge, dass sich Flixtrain auf Stadtrand-Bahnhöfe wie Berlin-Spandau oder Frankfurt Süd konzentriert oder sich verstärkt im lukrativen Geschäft für Mittelstrecken-Pendler engagiert. In die Karten schauen lässt sich das Unternehmen nicht. Experte Böttger ist überzeugt: "Flixtrain ist da variabler und kann mehr Nischen ausprobieren."
Wir begrüßen den WettbewerbDeutsche-Bahn-Sprecher über die Offensive des Konkurrenten Flixtrain
Wie auch immer die Zukunftspläne der Flix SE genau aussehen – bei der Deutschen Bahn gibt man sich gelassen. Sie wird auch in Zukunft mit mehr als 400 ICE-Zügen den mit Abstand größten Fuhrpark in Deutschland haben. "Wettbewerb unter Eisenbahnverkehrsunternehmen belebt das Geschäft", sagt ein Sprecher der DPA. "Von daher begrüßen wir den Wettbewerb mit anderen Fernverkehrsanbietern wie Flix und stellen uns diesem."
Der Geschäftsführer des Interessenverbands Allianz pro Schiene, Dirk Flege, erkennt in dem giftgrünen Angriff auf die Bahn jedenfalls gute Aussichten für Reisende: "Die Fahrgäste dürfen sich in den kommenden Jahren auf Angebotsverbesserungen freuen."
Quellen: Mitteilung Flix SE, Talgo, Deutsche Bahn zum ICE L, Koalitionsvertrag, Nachrichtenagentur DPA