Einen "Wow-Effekt" beim Bahnfahren zu erzeugen, das hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer dem Staatskonzern ins Aufgabenheft geschrieben. Das politische Ziel: Bis 2030 soll die Deutsche Bahn ihre Fahrgastzahlen nicht weniger als verdoppeln. Dazu braucht es neben einem intakten Schienennetz und günstigen Tickets auch neue Züge.
Zumindest bei letzterem ist die Bahn seit einigen Jahren tätig und erneuert beharrlich ihre Flotte: Der ICE 4 fährt inzwischen als das Flaggschiff im Fernverkehrsnetz, dazu sind auf immer mehr Strecken neue Doppelstock-Intercitys unterwegs.
550 Millionen Euro für 23 neue Züge
Ab 2023 kommen weitere neue Fernverkehrszüge unter dem Arbeistitel ECx hinzu. Mehr als eine halbe Milliarde Euro überweist die Bahn dafür an den spanischen Schienenfahrzeughersteller Talgo und bekommt dafür zunächst 23 Züge des neuen Typs. Die Kosten pro Zug liegen also bei etwa 24 Millionen Euro. Insgesamt besitzt die Bahn eine Option auf bis zu 100 der neuen Züge.
Soviel war schon seit Februar bekannt, jetzt stellte Bahnchef Richard Lutz in Berlin Details zu den neuen Waggons vor. "In unserer Agenda für eine bessere Bahn haben wir angekündigt, mehr Kapazität auf der Schiene zu schaffen. Der ECx ermöglicht ein besseres Angebot und mehr Komfort. Dieser innovative Zug wird einen wesentlichen Beitrag leisten, noch mehr Menschen für das Bahnfahren zu begeistern", warb Lutz für die neuen Züge.
Sie sollen jeweils aus 17 Waggons und einer Lok bestehen, die auf unterschiedlichen europäischen Bahnnetzen einsetzbar ist. Jeder Zug soll insgesamt 570 Passagieren Platz bieten (85 in der ersten, 485 in der zweiten Klasse) und mit bis zu 230 Stundenkilometern durchs Land fahren.
Ähnlich wie im ICE 4 soll die Beleuchtung in den Wagen der jeweiligen Tageszeit angepasst werden können. Es gebe W-Lan und On-Board-Entertainment an Bord, dazu acht Fahrradstellplätze pro Zug und Stauraum fürs Gepäck, so die Bahn. Jeder Zug soll darüber hinaus auch ein Bordbistro führen und mit einer Klimaanlage ausgestattet sein.
Nach Kritik an den Sitzen im neuen ICE werde für den ECx ein neues Sitzmodell entwickelt. "Vorab werden verschiedene Sitztypen mit Fahrgästen intensiv erprobt und erst auf Basis der Kundenbewertungen ausgewählt", teilte die Bahn mit.
ECx-Züge sollen barrierefrei sein
Besonderes Augenmerk sei auf die Barrierefreiheit zum Beispiel für Rollstuhlfahrer gelegt worden. Durch die Fußbodenhöhe von 76 Zentimetern sei ein stufenloser Einstieg von allen Bahnsteigen in Standardhöhe möglich, erklärte Bahnchef Lutz
Die neuen ECx-Züge sollen ab 2023 zunächst auf einer internationalen Verbindung zum Einsatz kommen: Die Fahrt von Berlin über Osnabrück nach Amsterdam werde sich um 30 Minuten auf fünf Stunden 50 Minuten verkürzen, weil der Lokwechsel an der Grenze wegfalle, so die Bahn.

Zudem sollen nach und nach die neuen Züge drei touristische Verbindungen nach Westerland auf Sylt von Köln, Berlin und Karlsruhe (jeweils über Hamburg) bedienen. Hierzu können auch Dieselloks vor die Waggons gespannt werden. Außerdem soll der ECx auch auf der Strecke von Köln ins bayerische Oberstdorf fahren.
Auf den Verbindungen ersetzen die neuen Talgo-Züge die bisherigen Intercity-Garnituren, die schon zu Bundesbahnzeiten vor einigen Jahrzehnten unterwegs waren und zum Teil einen in die Jahre gekommenen Eindruck machen.

Ob die neuen Züge bei den Fahrgästen tatsächlich einen "Wow-Effekt" auslösen, ist noch unklar und wird sich wohl erst in vier Jahren zeigen. Bisher existiert der ECx nur als Modell und als Computer-Animation. (Klicken Sie sich oben durch die Bilderstrecke.)
Doch neues Wagenmaterial ist ohnehin nicht alles: Der Staatskonzern steht im Tagesgeschäft steht wegen Verspätungen und Servicemängeln bei vielen Fernzügen in der Kritik – auch daran muss das Unternehmen arbeiten, um seine Kunden (und Verkehrsminister Scheuer) zufriedenzustellen.
Quellen: Deutsche Bahn AG, Nachrichtenagentur DPA
Lesen Sie hier mehr zur Deutschen Bahn:
- Wahnsinn Bahn: Was Zugreisende erdulden – und was sich dringend ändern muss
- Deutsche Bahn: Das sind Ihre Rechte als Bahnfahrer
- Deutsche Bahn schafft das Schönes-Wochenende-Ticket ab
- "Pro Bahn" kritisiert Scheuer: "Verbal passiert da sehr viel. Real ist es doch etwas weniger"
- So witzig sind Bahn-Ansagen – manchmal