Es gibt dieser Tage schlimmere Einsatzorte für Polizisten als den Hamburger Schanzenpark. Die Sonne wärmt die Hansestadt auf angenehme 25 Grad, Vögel zwitschern in der angrenzenden Grünanlage, ein paar Radfahrer radeln gemütlich am voll besetzen Kastenwagen vorbei. Schon seit mehr als zwei Jahren bewachen die Polizisten den Wasserturm im Park, während er in ein Hotel des Schweizer Mövenpick-Konzerns umgebaut wird. 15 Anschläge verübten die Autonomen während dieser Phase, Steine flogen ebenso wie Farbbeutel, geschätzter Sachschaden: 150.000 Euro. Kein Wunder also, dass man der Eröffnung besonders gespannt entgegensah, hatten die Gegner des Hotels doch angekündigt, das Ganze zu einem "unvergesslichen Erlebnis" zu machen. Doch stattdessen: friedliche Stille, keine fliegenden Backsteine. Das mag sicher auch am Datum des Eröffnungstermins liegen, der bestimmt nicht ganz zufällig mit dem G8-Gipfel in Heilligendamm zusammenfällt. "Wo sollen die Protestler im Moment auch herkommen?", fragt ein Polizist vor dem Hotel.
Auch von anderer Seite wird kein großes Brimborium veranstaltet. "Wir haben uns zu einem Soft Opening entschlossen", sagt Kathrin Wirth-Ueberschär, die stellvertretende Hoteldirektorin, "vorerst wird es keine große Eröffnungsparty geben." Will heißen: Warum noch zusätzliche Aufmerksamkeit auf sich lenken, wenn man gerade die Stille genießen kann. Mit dem Ärger in der Bauphase habe dies nichts zu tun, sagt Wirth-Ueberschär, das sei durchaus Usus. Die Dame ist sichtlich bemüht, ihr Hotel so weit wie irgend möglich von den Ausschreitungen zu trennen - je weniger sie dazu sagen muss, umso besser.
Öffentlich versus privat
Seit Baubeginn 2004 wurde das Haus von massiven Bürgerprotesten begleitet. Der Grund: Der 57 Meter hohe Klinkerturm liegt im linken Szeneviertel Schanze, mitten in einem Park, der früher den Junkies als Drückerplatz diente und heute von den Anwohnern als Grillplatz genutzt wird. Regelmäßig werden dort Konzerte veranstaltet, während der Sommermonate gastiert das Open-Air-Kino. Der Turm selbst stand bereits seit den Sechzigerjahren leer und drohte zu verfallen. Die Anwohner, allen voran die Mitglieder der "Wasserturm-Initiative", hätten sich ein Gebäude gewünscht, das von allen genutzt werden kann, ein von der Stadt restauriertes Industriedenkmal, das weiterhin öffentlich ist. Nun fürchten sie, dass nicht nur der Turm verloren ist, sondern auch der Park sich den Gepflogenheiten der Gäste anpassen muss - also keine Grillpartys mehr, geschweige denn Konzerte oder andere lautstarke Veranstaltungen. Der Platz für den sonntäglichen Trödelmarkt musste schon der Zufahrtsstraße zum Hotel weichen.
Diese Furcht kann Wirth-Ueberschär nicht nachvollziehen: "Ich betrachte ein Hotel als öffentlichen Raum", sagt sie. "Jeder darf hereinkommen, sich umsehen, das Restaurant besuchen und natürlich auch ein Zimmer buchen". Und erst neulich habe sie mit ihrer ganzen Familie im angrenzenden Park gegrillt, alles kein Problem. Und so checken die ersten Gäste am Eröffnungstermin in ein Hotel ein, das sich intensiv bemüht, von Anfang an zur Tagesordnung überzugehen.
Was erwartet die Gäste in Hamburgs jüngstem Designhotel? Ein in die Höhe gleitendes Rollband schiebt sie durch einen mit Wellen bemalten Tunnel in die Lobby - die Ankunft wird beschallt mit dem Tuten eines Nebelhorns. Das Innere des Turms wird gestützt von alten Steinpfeilern, die noch älter sind als die Zinne selbst: Das Gewölbe stützte einst einen alten Wasserspeicher aus dem 19. Jahrhundert. Auf diese alten Festen bauten die Ingenieure von 1907 bis 1910 den Wasserturm, dessen Betonfundamente bis heute den Eingangsbereich dominieren. Viel altes Gemäuer, das der Denkmalschutz beim Umbau bewahrt sehen wollte.
Party geplant
Die Verschmelzung von Altem und Neuem ist durchaus gelungen - wenn auch keine neuen Maßstäbe in Sachen Originalität gesetzt wurden. Viel Glas, etwas Holz und ein wenig Stahl halten Zimmer, Bar, Restaurant und Konferenzräume zusammen, ohne sich zu sehr vom Ziegelstein zu distanzieren. Durchs Herz des Hotels rauschen drei Aufzüge, um sie herum sind auf 17 Etagen die 226 Zimmer gruppiert - jedes blickt auf ein anderes Panoramastück Hamburgs. Die beigebraune Einrichtung ist klar und modern, Tapetenmuster und Blumenteppiche sucht man vergebens, das Vier-Sterne-Haus weiß, was sich für ein großstädtisches Designhotel gehört.
Mutiger zeigte sich Mövenpick mit dem Entschluss, das ganze Haus als Nichtraucherhotel zu etablieren. Einzige Ausnahme: die Bar. Die spektakulärsten Räume findet man im 17. Stock: Dort, in der Spitze, sind die beiden Turmsuiten untergebracht. Für 990 Euro die Nacht logiert der Gast wie ein modernes Dornröschen. Jede Suite ist zweistöckig, aus der freistehenden Badewanne auf der oberen Empore kann man den Sonnenuntergang über Hamburg genießen - weit und breit stört kein Gebäude den Blick aus den Panoramafenstern auf AOL-Arena oder Planetarium.
Natürlich wird die Diskrepanz zwischen den Forderungen der Autonomen und den Anforderungen anspruchsvoller Hotelgäste nirgendwo deutlicher als in diesen Suiten. Die einen thronen mit Sicherheitsabstand über den anderen. Unten jedoch ist das Hotel so eingebettet in den öffentlichen Raum wie nur irgend möglich. Zwar wird das Gelände derzeit noch umzäunt und von der Polizei bewacht, doch ist der Bauzaun erst einmal verschwunden, können Parkbesucher direkt an den gläsernen Wänden des Restaurants vorbei flanieren; die Hotelterrasse öffnet sich frei ohne eine Abgrenzung zur Südseite des Parks. Von Abschirmen kann hier wirklich keine Rede sein.
"Ich habe schon gelesen, wir hätten den ganzen Park gekauft", sagt Wirth-Ueberschär, "da dachte ich nur: 'Oh je, ich hab' noch gar keinen Gärtner eingestellt'." Sie scherzt, bisher ist alles glatt gelaufen, die ersten Nächte blieben ruhig, die wachenden Polizisten hatten soviel Zeit, dass sie sich durchs Haus führen ließen. Nun hofft sie, dass die Gemüter sich auch für die Zukunft beruhigen. Doch auch wenn das Hotel vorerst keine Eröffnungsfeier plant, will sich die "Wasserturm-Initiative" eine Party nicht nehmen lassen. Am 16. Juni soll sie stattfinden; das Motto lautet: "In der Hölle des Möven".
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