Sich mit der Ewigkeit zu befassen, ist wirklich ein bisschen viel verlangt für einen, der sich dem Sekundenglück verschrieben hat, bestenfalls dem Rundenglück. Michael Schumacher mit dem Geschichtsbuch der Formel 1 auf den Knien mag sich wohl nicht mal seine Corinna vorstellen können. Was sie aber zwangsläufig tun muss, weil es mit sieben WM-Titeln längst zu seinem Rekordbuch geworden ist. Aber ewig konnte das ja nicht so weitergehen. Der Mann ist jetzt 37, und er ist 16 Jahre lang an der Spitze oder um die Spitze gefahren. Abtreten, so lange er noch schnell genug und gut genug ist, würde seinem Hang zur Perfektion entsprechen, der sogar eher ein Drang ist.
Der große Vereinfacher des Im-Kreis-Fahrens bringt mit dem nahe liegenden Rücktritt nach Renn-Jahren mal wieder eine ganze Nation ins Rotieren, hat aber für sich selber stets eine Art Traktionskontrolle gefunden, die das Durchdrehen verhindert. Was sehr hilfreich ist, wenn zu den Auswirkungen des eigenen Tuns zum Beispiel gehört, dass in Baden-Württemberg die ABC-Schützen zeitweise rote Mützen trugen, um aufzufallen. Kappen wie Schumi. Ein Profi-Raser als Vorbild, dazu einer, der in seiner Kompromisslosigkeit auf der Rennstrecke mehr als einmal zum Rüpel und Rempler wurde? Michael Schumacher hat den Stellenwert des Motorsports, einer vor den Neunziger Jahren zwar klassischen, aber auch vergessenen deutschen Disziplin, neu definiert. Für sich gesehen, hat er eine Alleinstellung daraus gemacht.
Hang zur Arroganz und Ignoranz
Offenbar hatte der Mann sein Leben lang wirklich nichts Besseres zu tun als Rennen zu fahren. In diesem Punkt ist er ziemlich ehrlich zu sich: "Es gibt nicht viele Dinge, die ich so gerne und so gut mache." Darf man das als Leidenschaft betrachten? Oder ist es nur übertriebener Ehrgeiz? Hoffnungslose Verbissenheit? Man könnte natürlich auch behaupten, dass der Mann, der die Superlative in der Formel 1 getötet hat, einfach nicht verlieren kann. Er macht für sich den Umkehrschluss geltend: "Ich fahre nur noch aus Spaß am Rennen, Wettbewerb und Gewinnen. Der wichtigste Titel war der erste mit Ferrari im Jahr 2000, alles andere ist eine Zugabe."
Aber ein richtiger Easy Rider ist er nur auf den privaten Harley-Ausflügen in Nordamerika. Ansonsten besitzt das Klischee Gültigkeit: Schumacher der Besessene. Er hat sich immer für die Rolle des Klassenbesten im Motorsport gequält, vom ersten Kartrennen an, als er in die Kiesgrube von Kerpen-Manheim die abgefahrenen Reifen der Kinder besser verdienender Eltern aus dem Papierkorb fischte, die für ihn immer noch gut genug waren, um damit den verzogenen Sprösslingen um die Ohren zu fahren. Bei aller gewachsenen Überlegenheit, beim gelegentlich zum Selbstschutz eingesetzten Hang zur Arroganz und Ignoranz, hat sich der vermutlich am besten verdienendste Sportler außerhalb der USA ein bisschen was von einem Underdog bewahrt.
Schumacher der Ergebnismensch
Auch wenn er mit zunehmendem Alter ein (selbst) beherrschter Herrscher, ein Herr über Hirn und Herz geworden ist. Nur so konnte er am Osterwochenende 2003, als er in der Nacht zuvor am Krankenbett den Tod der Mutter miterlebte, in Imola zum Sieg fahren. Nur so konnte er die vier enttäuschenden Anfangsjahre bei Ferrari überstehen, und nur durch diese koordinierte Leistungsfähigkeit machte er aus der Scuderia eine Schumeria. Die Ferrari-Mitarbeiter lieben ihn bald mehr als die Marke, und das will was heißen. Sie tun das, weil er ihnen nicht als Meister, sondern als Mensch begegnet. Genau das, was ihm die Kritiker absprechen, und auch Rivalen wie Jacques Villeneuve oder Damon Hill. Mit denen ging er aus Prinzip aber auch ziemlich hart zur Sache.
Respektvoller war die Auseinandersetzung mit Mika Häkkinen oder bisher mit Fernando Alonso. Zum echten Duell mit Ayrton Senna, der die Ära vor Schumacher definierte, kam es nicht mehr, weil der Brasilianer 1994 verunglückte. Schumacher gewann dieses Rennen, und er wurde am Saisonende zum ersten Mal Weltmeister. Nur damit wir uns richtig verstehen: Nicht durch das Schicksal des anderen, sondern kraft eigenen Könnens. Ob man ihm bei allen Rekorden das Charisma abspricht, ist ihm ebenso egal wie die ewigen Vergleiche mit den Fangios, Sennas, Laudas und Stewarts. Schumacher ist ein Ergebnismensch. Das Große ist ihm ohnehin egal, er geht lieber aufs Ganze. Dieses eine Mal zumindest noch.
Gewinner sein, ohne sich dabei zu verlieren
Für das Mystische ist der Mann viel zu sehr Realo: "Ich sehe Rennfahren nicht als Mutprobe oder Kraftakt. Es liegt vielmehr an deinem eigenen Können, das Gefühl zu bekommen, wo der Grenzbereich liegt.“ Und wann Schluss sein muss. In diesem schmalen Streifen am Limit trägt er in den vier verbleibenden Rennen seine ganz persönliche Motivations-Weltmeisterschaft aus, angetrieben von seinem eigenen Anspruch: Er will Gewinner sein, ohne sich dabei selbst zu verlieren. So in etwa dürfte auch seine nahe Zukunft als Privatier aussehen.