Schon seit Beginn der Karriere von Oliver Kahn wurde der Ausnahmetorwart vom Boulevard und den gegnerischen Fans in die Nähe eines großen, mächtigen Menschenaffen gerückt. Uh-uh-uh-Rufe und geworfene Bananen waren die Folge. Irgendwann verselbständigte sich dieser Eindruck, und im Unterbewusstsein vieler Beobachter thronte Kahn über der Nationalelf und dem FC Bayern wie King Louie über seiner Affenhorde in Kiplings Dschungelbuch. Und wie der Affenkönig sah sich auch Kahn immer wieder mal genötigt, für Respekt zu sorgen.
Keinem Handel abgeneigt, geriet er weit häufiger als andere Torhüter auch in körperliche Auseinandersetzungen und Rempeleien mit gegnerischen Stürmern. Die bedrohliche körperliche Aggressivität, gepaart mit dem enorm zur Schau getragenen Selbstvertrauen des Karlsruhers schützte ihn offensichtlich vor einer Verfolgung durch die Schiedsrichter. Einige Szenen sind im Gedächtnis der Fußballfans hängen geblieben: Kahn droht den damaligen Dortmunder Heiko Herrlich zu beißen, Kahn schüttelt den Mannschaftskameraden Andi Herzog, Kahn nahm Thomas Brdaric in seinen "Kaninchenfängergriff" (häufig auch Schwitzkasten genannt), Kahn bohrt Miro in der Nase - in keinem der Fälle gab es den angebrachten Platzverweis für den Bayern-Schlussmann.
Sehnsucht nach Menschlichkeit
In den vergangenen Jahren schien King Kahn allmählich ruhiger zu werden, sich zu einem "normalen" Spieler zu entwickeln. Sein "alter ego", der Affenkönig, wünscht sich ja nichts so sehnlich, wie ein Mensch zu werden. Auch bei Kahn schien eine neue Humanität zum Ziel zu werden, da er sich auch immer häufiger eher ausgleichend und verständnisvoll äußerte. Höhepunkt der Beliebtheit von Kahn wurde dann ausgerechnet seine größte persönliche Niederlage, als das Publikum ihm den - nach normalen Maßstäben selbstverständlichen - Auftritt als faire und ruhige Nummer Zwei bei der Weltmeisterschaft so hoch anrechnete, dass die Popularitätskurve des stets respektierten, aber nie geliebten Keepers ungeahnte Höhen erreichte.
In der Hinrunde hatten sich die in der Vergangenheit zuweilen schwankenden Leistungen von King Kahn wieder stabilisiert, er schien jetzt auf den Ausläufern der Sympathiewelle seine Karriere beenden zu wollen. Der Amtsantritt von Ottmar Hitzfeld brachte uns möglicherweise den alten Kahn zurück, der Spruch "Olli sollte mal wieder eine Tür eintreten" zeigte, dass jetzt der extrovertierte Leader im Winter seiner Karriere wieder gefragt war. Das Spitzenspiel gegen Schalke und die Tätlichkeit gegen Sören Larsen brachte mal wieder einen der legendären Ausrutscher, wie immer nicht angemessen geahndet, diesmal vom schwachen Schiedsrichter Fandel (auch Schalkes Rafinha hätte Rot sehen müssen). Ein letzter Verweis auf das Dschungelbuch: auch King Louie scheitert am Ende, kann trotz aller verzweifelten Versuche nicht aus seiner Haut schlüpfen. Ob Oliver Kahn in seiner wohl letzten Saison 07/08 ruhig und skandalfrei bleibt? Kaum vorstellbar.