Oliver Bierhoff bleibt Kapitän und »Notnagel« Ulf Kirsten daheim in Leverkusen. Obwohl Rudi Völler diese Quelle fleißig sprudelnder Spekulationen trocken gelegt hat, watet der deutsche Teamchef noch immer Knöcheltief im Sumpf untergeordneter Themen. Von voller Konzentration auf die Vorbereitung für das WM-Qualifikationsspiel gegen Finnland kann keine Rede sein. Der einzige, der scheinbar begriffen hat, woran es im deutschen Team krankt, ist wieder einmal Oliver Kahn. Er fordert seine Mitkicker vehement dazu auf, sich nur noch mit den 90 Minuten am Samstag in der Arena AufSchalke zu beschäftigen. »Es geht hier um die Qualifikation für die WM. Das ist das Größte, was man erreichen kann. Alles andere ist zweitrangig«, appellierte der »einsame Rufer« im Team.
Zurückhaltende Trainerworte
Derart deutliche Worte vermisst man vor dem Spiel mit der Mini-Chance auf die direkte WM-Qualifikation von der sportlichen Führung der Bundes-Kicker. Teamchef Rudi Völler rückte auch 48 Stunden vor dem Anpfiff nicht von seiner zurückhaltenden Linie ab, mit der er sich bereits die gesamte Woche um eine Personalentscheidung herumgeschlängelt hat. Da der Lauterer Miroslav Klose über Nacht eine deutliche Verbesserung am lädierten Knöchel vermeldet hatte, zögerte die Teamführung eine Entscheidung über Kirsten erneut hinaus. »Er genießt ja in Leverkusen auch ein sehr gutes Training«, meinte Bundestrainer Michael Skibbe, der am Donnerstag anstelle von Völler vor die Medien trat.
Klose kann wohl spielen
Während des abendlichen Abschlusstrainings beendete Klose selbst das nervende Rätselraten: Der Lauterer bestand einen Belastungstest ohne Probleme. Die anhaltenden Muskel-Probleme von Abwehr-Alternative Sebastian Kehl, der noch immer nicht mit dem Team üben konnte, registrierte die Teamführung mit Gelassenheit.
Bierhoff bleibt Kapitän - vorerst
Lediglich zum Tanz um Oliver Bierhoffs Kapitänsbinde wollten sich Völler und Skibbe recht deutlich äußern. Die »Bild«-Zeitung hatte auf der Titelseite großspurig Bierhoffs Rücktritt als Kapitän vermeldet. So ganz will das Oliver Bierhoff dann aber doch nicht gesagt haben, denn nach einem intensiven Gespräch mit Teamchef Völler wusste der glücklose Stürmer plötzlich zu berichten, dass ihn die »Bild« da wohl falsch verstanden habe. Prompt bekam er vom Trainer-Gespann die volle Unterstützung ins Kreuz. »Oliver wird die Mannschaft als Kapitän aufs Feld führen«, verkündete Skibbe, der aber sogleich einschränkte: »Bis zum Ende der WM-Qualifikation«.
Kahn als Kapitäns-Anwärter
Dass danach die schicke Binde postwendend auf Torhüter Oliver Kahn übergehen wird, ist längst allen Beteiligten klar. Der Torwart scheint ohnehin einer der wenigen im aktuellen Aufgebot, der nicht mit sich selbst und seinem Leistungsniveau beschäftigt ist und daher den Blick für das Wesentliche behält. »Angesichts der anstehenden Aufgaben für die deutsche Nationalmannschaft sind Diskussionen wie die um das Kapitänsamt hinten anzustellen«, sagte Kahn genervt.
Deutliche Worte vom Keeper
Der »Fußballer des Jahres« auch der einzige, der sich um die Zeit nach dem Finnland-Spiel Gedanken machte. Nicht unwahrscheinlich ist nämlich, dass sich Rudi Völlers Truppe in der Relegation mit der Ukraine oder Weißrussland auseinandersetzen müssen. »Ich bin davon überzeugt, dass wir uns für die WM qualifizieren. Wenn nicht am Samstag, dann vier Wochen später«, gab Kahn die Marschrichtung vor. Voraussetzung dafür sei, dass die nicht nur beim 1:5-Debakel gegen England offenkundigen Probleme im Abwehrbereich behoben werden. »Wir hatten zuletzt zu viele Defizite im Defensivbereich und zu viele Torchancen zugelassen. Unser Hauptaugenmerk wird darin liegen, erst einmal Sicherheit rein zu bringen«, warnte Kahn vor zu offensiver Einstellung und dem Versuch, die um sechs Tore besseren Engländer im Fernduell noch mit einem Schützenfest abfangen zu wollen.
Worthülsen von Skibbe
Übungsleiter Skibbe fand nicht ganz so direkte Worte. Fußball-Phrasen wie »Wir wissen um das hohe Niveau des finnischen Teams« oder »Wir werden versuchen, Kontersituationen zu unterbinden«, klingen zwar nett, sagen aber herzlich wenig aus.
Geheimtraining vom Tisch
Wenigstens aus dem peinlich Zwischenfall vom Mittwoch hat man scheinbar gelernt. Künftig sollen auch Zuschauer zum so genannten Geheimtraining zugelassen werden, kündigte Skibbe an. Am Vortag hatten mehr als 3000 Fans in Darfeld vergeblich auf das Team gewartet und die Spieler schließlich beim Geheimtraining in Billerbeck aufgestöbert. Skibbe verteidigte den organisatorischen Fauxpas des DFB, ausgerechnet am Feiertag die Zuschauer aussperren zu wollen, mit dem Bedürfnis nach Ruhe. Nun aber will man beim Verband nicht mehr vor den Fans davon laufen. Originalton Skibbe: »Wir wären zufrieden, wenn wir in Ruhe arbeiten könnten. Wer gerne kommen möchte, den werden wir aber nicht verscheuchen«.