Meinung Der "Skandal" um Werders Dešić ist beschämend

Werder-Spielerin Medina Dešić hält nach dem 2:0-Derbysieg gegen den Hamburger SV ein Fanplakat hoch
Grund für die Aufregung: Werder-Spielerin Medina Dešić, 32, hält nach dem 2:0-Derbysieg gegen den Hamburger SV ein Kack-Emoji mit HSV-Logo hoch
© Carmen Jaspersen / DPA
Werder Bremens Medina Dešić gerät wegen des Hochhaltens eines Plakats ins Kreuzfeuer und wird sexistisch beleidigt. Der Fall zeigt, was im deutschen Fußball falsch läuft.

Die montenegrinische Fußballerin Medina Dešić erhielt Hass-Nachrichten, sah sich zu einer Entschuldigung verpflichtet und jetzt leitete der DFB nach "Mopo"-Informationen sogar ein Ermittlungsverfahren gegen sie ein.

Was hat die Spielerin von Werder Bremen bloß Schlimmes getan? Na ja, sie hielt ein provokantes Plakat hoch.

Das war passiert: Die Werder-Frauen hatten am Samstag gerade das Derby gegen den Rivalen Hamburger SV mit 2:0 gewonnen. Bei den grün-weißen Feierlichkeiten nach Abpfiff schnappte Dešić sich eine Pappe aus dem heimischen Fanlager und hielt sie hoch – gut sichtbar für die 37.000 Menschen im Weserstadion und die Fernsehkameras. Darauf zu sehen war das HSV-Logo, umrandet von einem Kackhaufen.

Natürlich ist das eine bewusste Provokation. Und es ist in Ordnung, wenn die Hamburger Gemüter deswegen hochkochen. Einige HSV-Fans im Stadion reagierten auf die Aktion mit Pfiffen, wer kann es ihnen verübeln? Die Reaktionen in den darauffolgenden Stunden und Tagen waren jedoch lächerlich und maßlos überzogen.

Spielerin entschuldigt sich – obwohl sie es nicht müsste

Wütende HSV-Fans warfen Dešić in sozialen Netzwerken Respektlosigkeit vor. Und auch einige Werder-Fans kritisierten die 32-Jährige für ihre Aktion. Dešić bekam im Nachgang der Partie offenbar so viele Kommentare und Nachrichten, dass sie eine öffentliche Entschuldigung für nötig hielt.

"Beim Derby habe ich aus dem Moment der Euphorie heraus ein Schild eines Fans hochgehalten, das daneben war", schrieb die Nationalspielerin Montenegros bei Instagram. "Ich wollte niemanden beleidigen oder provozieren, da sind einfach die Emotionen mit mir durchgegangen. Tut mir leid an alle, die sich dadurch angegriffen gefühlt haben."

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Dabei ist nicht Dešić diejenige, die sich hinterfragen sollte, sondern Fans, die sich über ihre Frotzelei empören. Solche Sticheleien gehören zu einem Derby dazu. Und wer sie nicht aushalten kann, sollte den Samstag vielleicht lieber mit einem Teekränzchen verbringen.

Worüber man sich im Fall Medina Dešić eigentlich empören sollte

Diese Hass-Nachricht postete Medina Desic in ihrer Instagram-Story
Diese Hass-Nachricht postete Medina Desic in ihrer Instagram-Story
© Screenshot Instagram

Der eigentliche Skandal ist, dass die Spielerin anschließend in sozialen Netzwerken heftig angegangen und sexistisch beleidigt wurde. Dešić reagierte richtig und veröffentlichte eine der Hass-Nachrichten, die sie bekam, in ihrer Instagram-Story. "Freu dich auf das Rückspiel du Nu--e", heißt es darin.

Eine Spielerin wird – zensiert, aber eindeutig – als "Nutte" beleidigt und der DFB ermittelt gegen sie wegen einer Pappe. Man könnte kaum ein besseres Beispiel finden, um zu beschreiben, was im deutschen Fußball falsch läuft.

Im Männerfußball wünscht man sich "echte Kerle" und Reiberei. Als Marvin Ducksch, damals noch Werder-Spieler, nach dem 3:2-Auswärtssieg im letzten Nordderby gegen den Hamburger SV die Eckfahne mit HSV-Flagge aus dem Boden riss und damit jubelte, wurde er von den Bremer Fans gefeiert. Danach kam es zu keinem Skandal.

Marvin Ducksch feiert am 27.02.2022 den Derbysieg im Hamburger Volksparkstadion mit der HSV-Eckfahne
Marvin Ducksch (l.) feiert am 27.02.2022 den Derbysieg im Hamburger Volksparkstadion mit der HSV-Eckfahne. Ein Aufschrei blieb danach aus
© nordphoto GmbH / Witke / Imago Images

Von Dešić hingegen wird erwartet, dass sie sich brav freut, ohne die Rivalität zwischen den Nordklubs auszuleben. Statt eine Spielerin wegen eines Pappplakats zu verurteilen, wäre es an der Zeit, den Umgang mit Hass und Doppelmoral im Fußball ernsthaft zu hinterfragen.

Transparenzhinweis: Der Autor dieses Textes ist Werder-Fan, würde sich aber auch empören, wenn es um eine HSV-Spielerin ginge.

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