Meine WM Wir müssen mal

von Jörg Thadeusz
Seit ich den neuen Werbespot der Deutschen Bahn gesehen habe, weiß ich, dass diese Weltmeisterschaft eine anstrengende Angelegenheit wird.

Mehdorns Bimmelbahn im permanenten Böschungsbrand tut so, als sei sie plötzlich ein globaler Dienstleister geworden, mit Schaffnern in unentwegter Sambalaune. Wenn sich sogar die Eisenbahner für die Fußballwelt maskieren, dann müssen wir anderen wohl auch für vier Wochen die Realität sauber abdecken können. Nur weil wir von der Bundeskanzlerin (Weihnachtsansprache) und vom Kaiser (eigentlich immer, wenn er öffentlich spricht) zu einer Gastgeber-Schicksalsgemeinschaft in einem Topf geworden sind, erlaube ich mir mehrere "Wir müssen".

Wir müssen mit dem Ausschank von Filterkaffee vorsichtig sein. Franzosen, Italiener und Spanier verstehen in Angelegenheiten, die in Tassen gefüllt werden, keinen Spaß. Wir müssen über die dauernden Moffen-Besatzungswitze von niederländischen Gästen lachen. Auch wenn die nicht wirklich komisch sind und die Begegnungen 28-jähriger Holländer mit der Wehrmacht kaum so richtig hautnah waren. Sie fühlen sich dann wohler und geben vielleicht von ihrem mitgebrachten Lakritz ab. Wir müssen den Engländern ein gewonnenes Elfmeterschießen gönnen. Wir müssen verhindern, dass brasilianische Fußballfreunde bei der Orientierung in der Hauptstadt auf "waschechte Berliner" treffen. Wir müssen türkischstämmige Nachbarn und Freunde zur Großzügigkeit ermuntern, damit ihr Hühnchen mit den Schweizern ungerupft bleibt.

Ich persönlich könnte mir vorstellen, dass der Franz schon jetzt stolz auf mich ist. In jeder Situation, in der ich mein Fähnchen in den Wind halten kann, wird es flattern. Vier Wochen lang bin ich als multiethnischer Fifa-Schleimer kaum schlagbar. Im Real-Madrid-Trainingsanzug werde ich Brötchen holen. Sicherlich störend für den einen oder anderen katalanischen Besucher, aber ich muss ja auch den FC Bayern als DFB-Elf aushalten. Mein England-T-Shirt sitzt so stramm wie ein Rodleranzug. Unterstützt aber die Richtigen und hält den Italienern ihr Vorurteil warm, dass alle Deutschen schlecht angezogen und zu dick sind.

Aus meinem Auto schallt abwechselnd Sambamusik oder ein japanischer Tempelgong in Dauerschleife. Außerdem liegt Büffelgraswodka nebst Gläschen auf Eis, beim Händler für exzellenten Schwarzfuß-Serrano-Schinken gibt es längst eine Vorbestellung. Für das von mir errechnete Finale Spanien-Polen. Ich freu mich schon drauf, wir sind ja schließlich Freunde.

Der preisgekrönte TV-Moderator und Buchautor Thadeusz stammt aus der einstigen Fußball-Hochburg Dortmund.

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