Jürgen Klinsmann Vom Saulus zum Paulus

Die rauschhaften Erfolge haben Jürgen Klinsmann nicht nur zum neuen Nationalhelden gemacht; auch die Kritiker im DFB mutieren blitzschnell zu Klinsmann-Fans. Einer feiert vor allem sich selbst: Gerhard Mayer-Vorfelder.

Den früheren Spöttern, die heute die deutsche Elf feiern, las DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder am Dienstag die Leviten. "Wenn man liest, was diese Ober-Gurus heute schreiben, ist das ein Unterschied wie Tag und Nacht", sagte der 73-Jährige süffisant. Dann stimmte der Funktionär ein Loblied auf den Bundestrainer an, den er im August 2004 selbst verpflichtet hatte. "Ich war vom ersten Tag an auf seiner Seite. Jürgen Klinsmann ist keinen einfachen Weg gegangen, doch ich bewundere seine Konsequenz und seinen Durchsetzungswillen. Der Erfolg gibt ihm nun Recht.» Sichtlich stolz sagte der DFB-Boss, der sich nach einer schweren Operation vor wenigen Wochen im Dienst zurückgemeldet hatte: "Die deutsche Mannschaft hat sich bei diesem Turnier wieder Respekt in der Fußball-Welt verschafft."

"Eine ganz tolle Leistung"

Die Anerkennung für die traditionsreiche Fußball-Nation sei nämlich zwischenzeitlich teilweise verloren gegangen, klagte Mayer-Vorfelder, der im Herbst aus dem Amt scheidet. "Das, was die sportliche Leitung nun zu Wege gebracht haben, ist eine ganz tolle Leistung.» Eine Leistung, die mit viel Geld aus dem DFB-Etat erkauft wurde. Seit knapp zwei Jahren begleiten etwa hoch bezahlte amerikanische Fitnessspezialisten das Team, und der DFB-Tross logiert seit Wochen im Schlosshotel im Grunewald, der laut Eigenwerbung "feinsten Adresse Berlins"

"Ich bekenne mich schuldig"

Er habe all diese Maßnahmen von Klinsmann unterstützt, sagte der frühere baden-württembergische Finanzminister. Dafür gebe es aber einen einfachen Grund: "Ich wollte, dass wir vom DFB uns im Fall eines Scheiterns keinen Vorwurf gefallen lassen müssen. Schließlich werden wir alle eine zweite WM in Deutschland nicht mehr erleben", meinte der 73-Jährige, der in seiner Kalkulation möglicherweise den neben ihm sitzenden 21-jährigen Verteidiger Per Mertesacker vergessen hatte. Auf die Frage, ob es für die Europameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz ebenso reichliche Unterstützung geben werde, sagte der langjährige Präsident des VfB Stuttgart, dies habe sein Nachfolger zu entscheiden. "Aber wenn Klinsmann weiter macht, wird er Forderungen stellen. Die Fortsetzung dieses Wegs wird Geld kosten." Angesprochen auf die 1:4-Schlappe gegen Italien in Florenz widersprach Mayer-Vorfelder vehement dem Eindruck, die DFB-Spitze sei damals von Klinsmann abgerückt. "Ich habe nie daran gezweifelt, dass Klinsmann mit der Mannschaft etwas hinbringt".

AP
Thorsten Holtz/AP

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