Olympias Geschichte beginnt mit gemeinem Mord. Weil König Oinomaos seine Tochter nur dem Freier geben wollte, der ihn beim Wagenrennen besiegen konnte, bestach der verliebte Pelops einen Knecht des Königs. Er versprach ihm ganz pragmatisch eine heiße Nacht mit seiner Auserwählten. Der ungetreue Diener ersetzte die Metallpflöcke an den Rädern des königlichen Wagens durch Wachsstifte. Das Wachs schmolz in der Hitze des Rennens, der König stürzte und starb. Pelops bekam das schöne Töchterlein, nicht aber der Knecht: Pelops stieß seinen Helfer ins Meer, der Mann ertrank. Doch dann fürchtete der Fürst, der dem Peloponnes seinen Namen gab, den Zorn der Götter über diesen Doppelmord und stiftete in der Landschaft Elis, dort, wo vorher der Palast des Königs Oinamaos gestanden hatte, die Spiele von Olympia.
Schon in Homers "Ilias" tauchen die Olympischen Spiele auf
So weit die Legende vom Ursprung der berühmtesten antiken Sportwettbewerbe. Sie ist nicht zu belegen. Tatsache ist, dass die Griechen bereits in grauer Vorzeit sportlich ihre Kräfte maßen. Schon in Homers "Ilias" werden wie in einer Reportage die Helden vor Troja bei Konkurrenzen im Laufen, Werfen, Boxen, Ringen und Wagenrennen geschildert. Nach griechischer Überlieferung fanden die ersten Olympischen Spiele 776 v. Chr. statt, also noch vor der Gründung Roms, als Fest zu Ehren des Göttervaters Zeus.
Anfangs standen nur Läufe auf dem Programm. Nach und nach nahm die Zahl der Disziplinen zu. Etwa um 500 v. Chr. hatten die Spiele in groben Zügen ihr Gesicht erhalten. Die Athleten - ganz anders als heute waren lediglich Griechen zugelassen - gingen in folgenden Disziplinen an den Start: Kurzstreckenlauf, Langstreckenlauf, Waffenlauf, Fünfkampf (aus Ringen, Laufen, Weitsprung, Diskus- und Speerwurf), dann Wagenrennen, Boxen, Ringen als Einzeldisziplin und Pankration, eine brutale Kampfsportart, bei der so ziemlich alles erlaubt war. Viele der antiken Übungen unterschieden sich deutlich von ihren modernen Versionen.
Frauen waren nicht zugelassen - auch nicht als Zuschauer
Die meisten Disziplinen waren in zwei Klassen ausgeschrieben: für Jugendliche (bis etwa 18 Jahre) und erwachsene Männer. Frauen waren bei Olympia nicht zugelassen, nicht einmal als Zuschauer. Sicher hatte das nichts damit zu tun, dass die Athleten vollkommen nackt antraten - die Antike hatte ein entspanntes Verhältnis zum unverhüllten Körper. Die Olympioniken glänzten statuengleich im Licht der griechischen Sonne, denn sie waren von oben bis unten mit Öl eingerieben.
Alle vier Jahre reisten Boten durch die griechische Welt, um die Spiele anzukündigen. Von da an herrschte "Ekecheiria", der berühmte olympische Frieden. Dies bedeutete aber nicht, dass nun zwischen den traditionell heillos zerstrittenen griechischen Stadtstaaten der allgemeine Frieden ausbrach. Es handelte sich nur um eine mehrmonatige Waffenruhe und freies Geleit für alle, die auf dem Weg von oder nach Olympia waren. Die Sieger waren auch damals extrem populär. Zwar bekamen sie als Belohnung bloß einen Kranz aus Olivenzweigen. Doch zu Hause wurden sie reich beschenkt: mit Statuen in Lebensgröße, einem lebenslangen Platz im Theater oder auch sehr ansehnlichen Geldbeträgen. Zweifelhaft war die Ehre, die der Militärstaat Sparta Siegern gewährte: Sie durften in der nächsten Schlacht neben dem König kämpfen.
Der damalige Star hieß Milon von Kroton
Um die grossen Stars bildeten sich wie heute häufig Legenden. Der Ausnahmeringer Milon von Kroton, der mehr als 20 Jahre bei Olympia dominierte, soll seine eigene Bronzestatue mühelos geschultert und einen vierjährigen Stier durch das Stadion getragen haben. Das Rindvieh verspeiste er anschließend ganz allein - Proteinzufuhr eines Kraftsportlers.
Auch das hehre antike Olympia hatte seine Skandale. Athleten versuchten sich den Sieg zu erkaufen. Städte warben sich Olympiasieger ab. So wechselte Astylos von Kroton, der Sprintsieger von 488, nach Syrakus und gewann vier Jahre später erneut. Daraufhin stürzten die verärgerten Krotoner die Ergotoles-Statue bei sich zu Hause vom Sockel. Wer beim Schwindeln erwischt wurde, musste auf seine Kosten eine "zanes" errichten, eine Zeusstatue, in deren Sockel seine Missetat eingraviert war. Sie wurde auf dem Olympiagelände aufgestellt. Fehlte dem Missetäter das Geld, hatte seine Heimatstadt finanziell einzuspringen.
Für einen Fehlstart gab's Peitschenhiebe
Verstöße gegen die Wettkampfregeln wurden von den in Purpur gekleideten Kampfrichtern streng geahndet. Schon für einen Fehlstart gab es Peitschenhiebe. Manchmal hatten die Unparteiischen kniffligere Fragen zu entscheiden. Im Pankration von 564 v.Chr. schnürte ein Kontrahent dem andern so die Luft ab, dass dieser für immer den Geist aufgab. Genau in dem Moment, als er sein Leben aushauchte, gab sein Gegner den Kampf wegen einer gebrochenen Zehe auf, die ihm der Sterbende noch im Todeskampf beigebracht hatte. Die Jury erklärte den Toten postum zum Sieger.
Mit der Eroberung Griechenlands durch Rom begann langsam, aber stetig der Niedergang Olympias. Die Spiele waren jetzt für jedermann offen, der irgendwie griechisch sprach, die Szene bestimmten immer mehr Profis, die von Wettkampf zu Wettkampf reisten. Im Jahr 67 n. Chr. trat mit großem Pomp ein ganz besonderer Athlet auf. Kaiser Nero, so verrückt wie griechenfreundlich, hatte die Kampfrichter mit 250000 Drachmen pro Kopf bestochen, außerhalb des olympischen Zeitplans mehr oder weniger nur für ihn Spiele zu veranstalten. Dabei startete der Kaiser im Wagenrennen mit einem Zehner-Gespann, schmiss sein Gefährt jedoch in einer Kurve um. Trotzdem wurde er - wenig überraschend - zum Sieger erklärt.
Mit dem Christentum verschwand die olympische Idee
Trotz dieses Bankrotts der olympischen Idee wurden die Spiele noch 300 Jahre lang ausgetragen. Als das Römische Reich unter Kaiser Theodosius Ende des 4. Jahrhunderts christlich wurde, verschwanden sie sang- und klanglos. Der heidnische Körperkult vertrug sich nicht mit dem christlichen Streben nach dem ewigen Leben.