Golf-Tagebuch, Teil 3 Tough im Rough

Von Klaus Bellstedt, Bad Saarow
Klaus Bellstedt kämpft sich durch den Sand: Der Bunker ist ein Hindernis auf der Spielbahn, das man nicht unterschätzen sollte
Klaus Bellstedt kämpft sich durch den Sand: Der Bunker ist ein Hindernis auf der Spielbahn, das man nicht unterschätzen sollte
© Colourbox.de
Golf ist in erster Linie eine Kopfsache. Und was passiert, wenn der Sportredakteur beim ersten Golfkurs mental mal schwächelt?

Heute ist die Stimmung super: Draußen verwandelt die Sonne den Scharmützelsee in ein Glitzermeer. Joseph, der "in Brillen macht", verteilt am Frühstückstisch die neuesten Sonnenmodelle seines Unternehmens. Und auch Petra kann schon wieder lachen. Die Vorfreude auf den dritten Golftag ist meinen Mitstreitern deutlich anzumerken. Ich bin erstmals richtig ausgeschlafen und sprühe förmlich vor Energie. Jetzt nur nicht überdrehen, denke ich. Immer schön im Gleichgewicht bleiben und auch mal auf das dritte Spiegelei verzichten. Noch zwei Tage bis zur Prüfung - die heiße Phase hat längst begonnen.

Wieder starten wir zunächst auf der Driving Range, wo jeder sich auf seine ganz persönliche und mitunter seltsame Weise einschlägt. Heute will ich mich nur mal auf mich selbst konzentrieren. Weil Golf eben auch eine Individualsportart ist. Nicht nach links oder rechts schauen, sondern das eigene "Flow-Erleben" entdecken. So nennt man diesen besonderen Erlebniszustand, der als Grundvoraussetzung für erfolgreiches Golfen gilt. Der Mechanismus dahinter: Harmonie. Der Einklang scheinbarer Gegensätze. Anspannung, Entspannung, Konzentration und loslassen, wollen und können, Körper, Geist und Seele. Steffen, der Trainer, sagt immer: "Halten wir die Balance, erleben wir auch - und gerade dann - konzentriertes Tun als Genuss". Merken Sie was? Das ist "Golf Mental" in höchster Vollendung, und ich bin heute derartig im mentalen Flow, ganz sicher ...

Semirough, Sand und Wasserhindernisse

Also: Her mit dem Holz 5 und mal schnell die anderen mit einem 200-Meter-Brett á la John Daly in die Schranken weisen. Ich könnte Bäume ausreißen. "Aufteen", Schwung holen und Kawumm: voll in den Rasen! Das Grün fliegt durch die Luft, der Ball liegt unbewegt und beleidigt vor meinen Füßen. "Klaus, wat is los? Heute nich dein Tach?", ruft mir Pascal im besten Ruhrpottslang grinsend zu. "Probeschwung", entgegne ich schüchtern. Wohl wissend, dass ich aus der Nummer nicht mehr rauskomme. Schön auch, dass sämtliche Blasen in meiner rechten Hand bei diesem gleichsam unschönen wie erfolglosen Versuch aufgeplatzt sind. Ok, das kann passieren. Jetzt nur nicht den Kopf in den Sand stecken. Pflaster auf die Wunden, mentales Pflaster auf die Schlagwunde und einfach weitermachen.

Hieß es gestern noch Austoben auf dem Anfängerplatz, so steht heute also die erste echte Herausforderung namens "Stan Eby Platz" an. Das klingt schon gruselig - ist es auch. Der 18-Loch-Golfplatz bietet zwar den schönsten Ausblick auf das weitläufige A-Rosa Resort, ist aber in erster Linie eine grausame Kombination aus breitem Semirough, weitem Sand und geschickt platzierten Wasserhindernissen. Mal ganz zu schweigen von den unzähligen bösartigen Bunkern. Für meinen ersten "echten" Abschlag des Tages nehme ich mir vor, all die Unwägbarkeiten dieses Höllenplatzes im Kopf auszublenden. Ich werde ganz einfach nicht daran denken. Allein, es gelingt mir nicht. Denn wer mental so vorgeht, hat beim Golf leider schon verloren. Und so versemmel ich die Bälle reihenweise, tatsächlich gelingt mir gar nichts. Jede zweite Kugel landet im Rough, also dort, wo der Greenkeeper der Natur noch Wildwuchs gewährt.

Die Meister der Theorie

Von dort aus wieder auf die kurz gemähte Spielbahn zu gelangen, ist eine Kunst für sich. Mit anderen Worten: nahezu unmöglich. Wie ein Wahnsinniger schlage ich kreuz und quer durchs Rough, treffe alles, nur nicht den Ball. Joseph geht es Gott sei Dank ganz ähnlich. Nur der strebsame Pascal spielt die Löcher regelmäßig mit traumwandlerischer Sicherheit zu Ende. Was sich die beiden Damen so zurechtspielen, bleibt wegen erneuter Geschlechtertrennung ihr Geheimnis. Ist im Zweifel auch besser so. Obwohl, schlechter als wir können auch sie nicht sein. Komplett mit den Nerven runter nach kaum mehr als einer Stunde Spielzeit plündern Joseph und ich jedenfalls schon mal unsere Lunchpakete. Schnell den Energiespeicher wieder auffüllen. Vielleicht hilft das ja. Nein, tut es nicht. Oder nur wenig. Während meine Wenigkeit wenigstens jedes zweite Loch noch einigermaßen passabel nach Hause spielt, reißt bei Joseph völlig der Faden. Der fröhliche Schwabe schüttelt über weite Strecken der Runde nur noch mit dem Kopf. Immerhin: Er lacht dabei - resignierend.

Nach weiteren mühsamen Stunden werden Joseph und ich, wir Rough-Kampfschweine, am Ende des Tages überraschend dann aber doch noch unser persönliches Erfolgserlebnis feiern. Und zwar im Clubhaus. Nicht an der Bar. Vielmehr beim Ablegen der von "Pro" Steffen gemeinerweise vorgezogenen Theorieprüfung. Meine Güte, was haben wir da brilliert. Alle anderen haben wir hinter uns gelassen, selbst Pascal, den Streber. Joseph mit 18, ich mit 16 richtigen Antworten bei insgesamt 20 (mehr oder weniger schwierigen) Fragen. Ja, ja, wir zwei kennen alle Regeln. Wir wissen, wie man sich ordnungsgemäß auf dem Platz verhält. Da war es plötzlich wieder, das Selbstvertrauen in die eigene Stärke. Vergessen, die harte Zeit im Rough. Und das "Flow-Erleben", wie auch immer sich das anfühlt, hab ich auch wiederentdeckt. Fragt sich nur für wie lange? Noch 48 Stunden …