940, 854, 713 das sind weder Pinnummern, noch irgendwelche obskuren Gewinnzahlen, sondern die Yardzahlen der drei führenden Quarterbacks nach dem zweiten Spieltag. Die Namen? Tom Brady, Cam Newton und Philipp Rivers. Muss Dan Marino um seinen 27 Jahre alten Yardrekord von 5084 in einer Saison bangen?
Würde man einfach hochrechnen, würde die Antwort lauten: Ja, alle Drei würden seine alte Bestmarke pulverisieren - und nicht nur sie, auch Drew Brees (689) und Tony Romo (687) würden sie knacken. Doch wie heißt es so schön: Dafür werden Spiele gespielt. Wie nicht nur das mahnende Beispiel Michael Vick zeigt, darf man nicht nach zwei erfolgreichen Spielen auf die anderen 14 Partien schließen.
Aber nehmen wir Verletzungen mal aus und gehen als positiv gestimmte Menschen von gesunden 14 Restspielen aus tatsächlich ist Cam Newton der Top-Kandidat auf den Rekord. Warum? Er ist in der besten Situation für solche individuellen Errungenschaften. Während Brady und Rivers von den Playoffkandidaten Patriots und Chargers Rücksicht auf die Bedürfnisse des Teams nehmen müssen, erwartet niemand von Rookie Newton und den Panthers eine erfolgreiche Saison. Ankommen, sich wohl fühlen und sich in der Liga akklimatisieren, das ist Newtons Hauptpriorität.
Zudem dürfte Newton oft genug in Verlegenheit kommen, einem Rückstand hinterher zu passen. Das Laufspiel dürfte wenig gefragt werden und wurde bisher kaum gefragt. In beiden Spielen brachten die Panthers gerade einmal jeweils über 70 Yards zustande, im ersten war Newton mit 53 Yards sogar bester Läufer. Alles in allem sind dies die besten Voraussetzungen, um individuelle Rekorde in einem Teamsport wie Football zu erreichen.
Football heißt Football...
...weil der Ball zuweilen auch mal gekickt wird. Und gegebenenfalls bei Punts und Kickoffs dann und wann zurückgetragen wird. Kritiker und Skeptiker der neuen Regel, nämlich dass der Kickoff von der eigenen 35- statt der 30-Yard-Linie erfolgt, sahen darin sofort eine Explosion von Touchbacks und viel weniger Returns.
Nun, das Urteil darüber steht noch aus, aber zumindest die durchschnittliche Zahl der Kickoff-Return-Touchdowns ist durchaus annehmbar: Drei Mal trugen die Returner am ersten Spieltag den Ball in die gegnerische Endzone zurück, gemeinsam mit den fünf Punt-Return-Touchdowns war dies ein NFL-Rekord, Randall Cobb von den Packers stellte sogar die Längenbestmarke (108 Yards) ein und wurde so für seinen Mut belohnt. Damit will ich nicht sagen, dass die Verlegung des Kickoff-Punktes, die richtige Entscheidung war, sondern nur vorerst die Kritiker besänftigen. Es gibt sie noch, die Returns.
Sinnbildlich passt allerdings dazu, was ausgerechnet Cobb in der zweiten Woche passierte: Den Kickoff der Panthers nach deren 7:0-Führung fing er an der Zwei-Yard-Linie und trug den Ball 18 Yards zurück, ehe er auf Carolinas Jordan Senn traf. Der erzwang den Fumble kein Return-TD, sondern ein Turnover für Cobb. Auch Cobbs Kollegen konnten sich in dieser Woche nicht durchsetzen, anstatt eines neuen Rekordes gab es keinen Touchdown nach Returns. So sind wir mit anderthalb im Durchschnitt für zwei Spieltage wieder auf Alltagskurs.
Dazu muss ich ein Stück weit auch dem Leser recht geben, der zu Bedenken gab, dass es alleine im Falle des Packers-TD Cobbs Fähigkeiten waren, die den Touchdown ermöglichten. Ja, aber er hat sich ja trotzdem zunächst einmal zum Return hinreißen lassen, obwohl der Ball so weit in die eigene Endzone flog.
Ansonsten stelle ich mich auf die Seite der Kritiker: Ich sehe wenig Sinn in der Regeländerung. Die soll ja vor allem Verletzungen bei Returns verhindern, doch gerade Spieler und Ex-Spieler sehen genau das Gegenteil. Returner werden mehr versuchen, weil Touchdowns aussichtsloser werden. Mehr Risiko ist im Normalfall das Patentrezept für mehr Verletzungen.
Derweil in den Rocky Mountains...
In Denver geht übrigens die Quarterback-Kontroverse weiter angefacht von acht Tebow-Fans, bei denen das Geld anscheinend sehr locker sitzt. Diese Acht sammelten genug Geld, um zwei große Plakatwände in Denver zu mieten und den Einsatz von Tebow zu Ungunsten Kyle Ortons zu fördern. Mein Dank als Broncos-Fan gilt erneut Josh McDaniels, der Nachfolger John Fox die Baustelle Quarterback mit einem Nummer-Eins-Pick namens Tebow hinterließ.
Ignoriert denn wirklich jeder Tebow-Befürworter, dass er von den spielerischen Fähigkeiten noch kein NFL-Starter ist. Mittlerweile wünschte ich mir fast, Fox würde Tebow auflaufen lassen. Dann hätte er Ruhe, um sich um andere, weitaus wichtigere, Baustellen im Team zu kümmern. Ob die acht Tebow-Fans sich allerdings mit Fox Kniff vom Sonntag abfinden werden? Tebow stand nämlich auf dem Platz, allerdings als Wide Receiver. Aufgrund der Verletztenmisere war er für einen Tag der dritte Wide Receiver des Teams. Einen Pass bekam er vom Rivalen Orton allerdings nicht serviert.
Die Top Fünf
Ich bleibe weiter dabei in der NFC sehe ich außer den Titelverteidigern wenig Kandidaten auf den Super Bowl. Also bleiben die Green Bay Packers weiterhin meine allererste Option in dieser Conference. Als Gegner Nummer eins aus der AFC würde ich zwar noch die New England Patriots ausmachen, allerdings rückt ihnen der Divisionsrivale New York Jets gewaltig auf die Pelle.
Dazu kommt das Wohlfühl-Team Nummer eins, die Detroit Lions, von denen jeder erwartet hatte, dass sie sich sehr stark verbessert zeigen würden bis jetzt erfüllen sie die Erwartungen. Das echte Überraschungsteam sind für mich dagegen die Buffalo Bills, die sich mustergültig im Two-Minute-Drill zum 38:35-Sieg gegen die Oakland Raiders spielten.
Die Flop Fünf
Bei den Kellerkindern gibt es zwei Gruppen: Die hoffnungsfrohen und die hoffnungsvollen Fälle. Dabei können sich die Seattle Seahawks, Minnesota Vikings und Miami Dolphins trotz ihrer 0:2-Bilanz vielleicht keine Hoffnungen auf die Playoffs machen - laut espn.com schafften es in der NFL-Geschichte gerade einmal zwölf Prozent der Teams mit dieser Bilanz in die Meisterrunde. Einige Siege könnten jedoch drin sein. Besonders für Seattle, die noch kein Heimspiel hatten.
Von allen guten Geistern verlassen scheinen die Kansas City Chiefs und die Indianapolis Colts auch aufgrund von Verletzungen. Die Chiefs kassierten allerdings nicht nur deswegen in den ersten beiden Spielen jeweils über 40 Gegenpunkte und kamen insgesamt nur auf zehn eigene Zähler. Dazu kommen nun die Ausfälle von Safety Eric Berry, Tight End Tony Moeaki und zuletzt Running Back Jamaal Charles, der einen Kreuzbandriss erlitt, alle Drei werden in dieser Saison nicht mehr spielen.
Bei den Colts fehlt natürlich weiterhin Peyton Manning, der sich laut foxsports.com in Europa einer Behandlung mit Stammzellen unterzog. Immer noch hat diese Verletzungsgeschichte eine Menge Beigeschmack für mich jetzt lehne ich mich endgültig aus dem Fenster: Wir sehen Manning in diesem Jahr nicht mehr spielen.
Und wieder lese ich Forderungen in Indianapolis nach einem adäquaten Ersatz, der Kerry Collins offensichtlich nicht ist. Brett Favre ist dabei wieder der Name, der herumgeistert. Ich weiß nicht, die Colts täten besser daran, diese Saison abzuschreiben. Denn die ersten Spiele haben offenbart, dass Manning zwar hauptsächlich fehlt, aber Baustellen in fast allen Mannschaftsteilen zu finden sind.
Sven Kittelmann