NFL in Deutschland New England enttäuscht auf ganzer Linie – und lässt ein Stadion verstummen

Debakel bei der NFL-Premiere in Deutschland: Mac Jones und die New England Patriots enttäuschten auf ganzer Linie.
Debakel bei der NFL-Premiere in Deutschland: Mac Jones und die New England Patriots enttäuschten auf ganzer Linie.
© Marc Schueler / Imago Images
Es sollte ein Fest werden, bot aber spielerische Magerkost. Ausgerechnet bei ihrem ersten NFL-Spiel in Deutschland enttäuschten die New England Patriots gegen die Indianapolis Colts. Das hatte fatale Auswirkungen – auch für Quarterback Mac Jones.

Als am Sonntagmorgen hunderte Anhänger der New England Patriots vom Frankfurter Hauptbahnhof in Richtung Deutsche Bank Park starten, sind sie hoffnungsvoll. "Let’s go Pats", schallt es durch die S-Bahn-Haltestelle. Die Bahn ist zum Bersten gefüllt, viereinhalb Stunden vor Spielbeginn wollen alle das NFL-Erlebnis einatmen. Atmen wäre generell schön, viel Platz bleibt dafür nicht mehr in der Bahn. "Wenn hier jetzt einer Handkäs auspackt, haben wir gleich Platz", scherzt ein Fahrgast. 

Die Stimmung am Deutsche Bank Park ist Stunden vor Spielbeginn ausgelassen. Eine große Gruppe Patriots-Fans verbindet den amerikanischen Sport mit deutscher Fußballkultur. Aus der Stadt findet ein Fanmarsch in Richtung Stadion statt, mit amerikanischer Marching Band und mehreren Hundert Teilnehmern. 

Im Stadion selbst ist es drei Stunden vor Spielbeginn noch recht ruhig. Erst wenige Fans sind in der Arena, in der die Spieler der Patriots und der Indianapolis Colts langsam ankommen. Die einen tragen Kopfhörer und Trainingsanzug, die anderen Sonnenbrille und Goldketten – legerer Dresscode für den ersten Auftritt in Deutschland.

NFL in Frankfurt: Fußballer beobachten Footballer

Nur wenig später kehren die Spieler zurück: Beim Warmmachen ist die Arena voller, die Prominenz lässt sich blicken. Ex-Fußball-Star Claudio Pizarro beobachtet das Geschehen an der Seitenlinie, ebenso Comedian Mario Barth. Die Familien der Spieler der Colts werden in einen abgesperrten Bereich gelassen, rund 40 haben die Reise nach Deutschland mit angetreten. Die NFL in Deutschland ist nicht nur hier ein Event, sondern auch für die Spieler und ihre Angehörigen. Allen voran Bernhard Raimann. Der 26 Jahre alte Österreicher spielt bei den Colts, für ihn ist es fast ein Heimspiel. Raimann läuft durch die Endzone, strahlt über das ganze Gesicht, winkt Familie und Freunden zu.

An einer anderen Ecke des Spielfelds sammeln sich weitere Promis. David Alaba und Marcel Sabitzer stehen am Spielfeldrand bei den Patriots. Für Sabitzer ist es das zweite NFL-Spiel, im Vorjahr hat er die Deutschland-Premiere in München verfolgt. Die Atmosphäre begeistert den Mittelfeldspieler von Borussia Dortmund. "Die Stimmung lässt sich nicht mit Fußball vergleichen. Es gibt keine Rivalität zwischen den Fans, das ist schön zu sehen. Das erinnert mehr an ein Fest." Früher habe er die NFL regelmäßig verfolgt, war Anhänger der Pittsburgh Steelers. "Das war aber noch zu Zeiten von Ben Roethlisberger." Mittlerweile sei er aber mehr neutraler Beobachter. 

Auf dem Videowürfel laufen unterdessen Erinnerungen an die glorreichen Zeiten der Patriots – und die tragen vor allem einen Namen: Tom Brady. Die offizielle Verabschiedung wird gezeigt, dazu ein Ranking der besten Spielszenen des vielleicht besten Quarterbacks der NFL-Geschichte. Man fragt sich, was Brady-Nachfolger Mac Jones beim Warmmachen denkt, die Szenen wird auch er gesehen haben. Vielleicht sind sie eine Mahnung an das, was folgen wird. Jones erlebt bei seinem ersten Spiel auf internationalem Boden eine totale Demontage. 

Dabei beginnt die Partie vielversprechend für die Patriots, die schnell nach einem Field Goal in Führung gehen, die Colts aber antworten direkt mit einem Touchdown – es wird der einzige in dieser Partie werden.

Es ist eine seltsame Stimmung, die sich bereits gegen Ende des ersten Viertels breit macht. New England hat massive Probleme, die Offensive ans Laufen zu bekommen – die vielen Patriots-Anhänger im Publikum werden unruhig. Immer wieder müssen Quarterback Mac Jones und seine Angreifer nach vier Angriffsversuchen wieder vom Feld. Es wirkt einfallslos, was das Team aus Massachusetts darbietet. Jones findet keine Anspielstation, immer wieder geht es über Ezekiel Elliott, der mit seinen Laufversuchen aber auch wenig Raumgewinn erzielt. Weil aber auch den Colts wenig in der Offensive einfällt, wechselt der Ballbesitz immer wieder. Der verhaltenen Stimmung wirkt die Stadionregie entgegen, Moderatorin MJ Acosta Ruiz bittet die Fans um Hilfe. Früh schallt Neil Diamonds "Sweet Caroline" durch die Arena, die 50.000 Zuschauer springen drauf an, sorgen für den ersten richtigen Gänsehautmoment.

Gänsehaut bekommt man sonst hier nur ob der Kälte und des Spiels, bei dem bis zum letzten Viertel keine weiteren Punkte auf die Anzeigetafel kommen. Die Stimmung im Stadion bleibt weiterhin zurückhaltend, brandet auf, als Myles Bryant einen Pass von Colts-Quarterback Gardner Minshew abfängt. Und flaut rasant ab, als New Englands Kicker Chad Ryland das Field Goal verfehlt. Wieder folgt der Auftritt der Stadionregie, die Journeys Klassiker "Don’t stop believing" einspielt – es hat ein bisschen Situationskomik. Den Glauben scheinen aber mittlerweile viele der Fans verloren zu haben – den Glauben an eine Besserung des Spiels, die Hoffnung auf einen Sieg der Patriots. Das hat auch die Stadionregie eingesehen. Zwar kommt noch John Denvers "Country Roads", doch statt die Musik auszufaden und den Fans nochmal einen Moment der gemeinsamem Ekstase zu gönnen, schallt das Lied bei voller Lautstärke durchs Stadion.

New England Patriots: Der Vertrauensverlust in Mac Jones

Was sie aber miterleben, ist die Demontage von Mac Jones. Als die Patriots endlich einmal über das Spielfeld marschieren und kurz vor der Endzone stehen, passiert dem Quarterback der Fehler. Ein Pass fliegt in Richtung Endzone, weit und breit ist aber kein Mitspieler zu sehen, nur Colts-Verteidiger Julian Blackmon, der das Geschenk dankend annimmt. 

Als die Patriots kurz darauf wieder mit der Offensive aufs Feld dürfen, sitzt Jones auf der Bank. Trainer Bill Belichick setzt auf Ersatzmann Bailey Zappe. Zwei Minuten vor dem Ende, den Patriots reicht ein Touchdown zum Sieg – mehr Vertrauensverlust in den Stamm-Quarterback geht nicht.

Zappe bringt auch gleich den ersten Pass an den Mann, Hoffnung brandet auf, "Zappe Zappe"-Rufe schallen durch das Rund. Doch wie so häufig in diesem Spiel werden die Hoffnungen schnell begraben. Zappes siebter Pass ist auch sein letzter: Er landet in den Armen von Rodney Thomas II – nur spielt der für die Colts, Spiel vorbei, Indianapolis gewinnt 10:6. Erstmals verlieren die Patriots eine Partie auf internationalem Boden, erstmals erzielen sie dabei weniger als 33 Punkte, erstmals heißt der Quarterback nicht Tom Brady.

Und Mac Jones? Der tritt diesmal nicht vor die Presse, vielleicht auch aus Selbstschutz. "Wir gucken in der nächsten Woche, wie es mit ihm weitergeht", erklärt Belichick schmallippig und nuschelnd auf der Pressekonferenz. Wie es mit Belichick weitergeht, wird sich vermutlich ebenso entscheiden. Vor der Partie hatte Teameigner Robert Kraft bei "NFL Network", dem hauseigenen Sender der Liga, von einer "enttäuschenden Saison" gesprochen, er habe auf eine bessere Spielzeit gehofft. "Ich hoffe, heute ist die Gelegenheit für einen Neustart, um die Saison deutlich besser zu machen. Das ist bislang nicht das, was wir erwartet haben", erklärte Kraft. Das Vertrauen in Belichick dürfte nach der achten Niederlage in zehn Spielen nicht weiter gestiegen sein. Nun droht auch dem erfolgreichsten Trainer der NFL-Geschichte die Demontage.

Transparenzhinweis: Der stern ist ein Teil von RTL Deutschland.

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos