NFL Any Given Wednesday - Wenn Coaches sich streiten

Manchmal ist das Geschehen abseits des Feldes fast spannender als das eigentliche Spiel. Auch wenn es in der sechsten NFL-Woche nicht an spielerischen Highlights mangelte, mit zwei Coaches im Clinch, einem verunglückten Sean Payton und gleich zwei wegen Erfolgslosigkeit ausgewechselten Quarterbacks galt auf einmal: "Wichtig ist neben dem Platz."

Auch wenn sie während des Spiels an der Seite stehen, sind sie es doch, die meist das letzte Wort haben – so dachten zumindest die beiden Jims, mit Nachnamen Schwartz und Harbaugh. Ebenso dachten die Kollegen Leslie Frazier und Mike Shanahan jedem einmal klar machen zu müssen, wer in den Teams letztlich die Entscheidungen trifft. Sean Payton bewies dagegen, dass außerhalb der Feldbegrenzungen nicht immer das ungefährlichste Terrain ist.

Die Szene der Jims hatten wir bereits im Spielbericht beschrieben, deswegen hier nur kurz: Harbaugh, Coach der 49ers freute sich überschwänglich über den 25:19-Erfolges seines Teams, sprang auf Gegenüber Schwartz zu, schüttelte kurz seine Hand, ehe er ihm noch auf die Schulter klopfte. Auf dem Video kann ich jetzt keine explizite Szene erkennen, die Schwartz weitere Reaktion so einfach rechtfertigt.

Ja, man kann diesen Handschlag ruhiger gestalten und ja: man kann es dem Gegner nicht unbedingt so unter die Nase reiben, dass man ihn besiegt hat. Aber man muss auf gar keinen Fall so reagieren, wie es Schwartz tat. Wenn – ja, wenn Harbaugh nicht doch noch etwas Unfeines hinterhergeschickt hat, wie Schwartz behauptet. 

Denn der Coach der Detroit Lions rannte hinter Harbaugh hinterher, als wolle er in guter, alter Zidane-Manier die Familienehre wiederherstellen, die der Konkurrent verbal beschmiert hatte. Erst eine ordentliche Rudelbildung, in der Spieler und Verantwortliche beider Teams die beiden Streithähne auseinanderhielten, verhinderte einen möglichen Faustkampf.

Vorbilder neben dem Platz

Egal, wer im Recht oder Unrecht ist – ihren Job als Coaches haben beide in dem Moment nicht wirklich erfüllt. Wenn Spieler sich auf dem Feld konfrontieren, dann kann ich das noch ein Stück weit verstehen. Bestraft werden sollten solche Sachen natürlich auch – mit richtigem Augenmaß. Manchmal täte die NFL gut daran, auf die Einstellung der NHL-Referees zu schielen. Lasst die beiden Kontrahenten doch kurz ihre Luft rauslassen – fair und nicht mit irgendwelchen linken Tricks.

Und Trashtalk? Zahlt sich nach meinen Erfahrungen nicht aus, denn es wird immer irgendeine Gelegenheit geben, in der der Gegner sich über die große Klappe lustig machen kann. Warum nicht – und das frage ich auch Jim Schwartz – einfach über den Dinge stehen und den anderen reden lassen? Apropos Trashtalk - nach Aussagen von Jim Harbaughs Bruder John, seines Zeichens Coach bei den Ravens, geht die Fehde der beiden auf ein Abendessen im Mai diesen Jahres zurück. Damals sagte Schwartz zu seinem Bruder, dass er nicht glaube, dass ihm mit seinem Team etwas gelänge, sollte die Aussperrung weitergehen. Vielleicht hat ihm Jim Harbaugh genau diese Worte beim Handschlag unter die Nase gerieben - in jenem Falle nicht zu Unrecht.

Die beiden Coaches sollten sich vor Augen führen, was für eine Figur sie mit solchen Kindereien abgeben. Denn mehr als eine Sandkasten-Streiterei ist die ganze Geschichte eh nicht. Eigentlich ist es lächerlich, dass die NFL den Vorfall untersuchte. Der Abschluss des Verfahrens mit einer Verwarnung und keiner Strafe, wie jetzt erfolgt, ist dabei die dann aber noch die vernünftigste Herangehensweise. Die Liga hat ihr Gesicht gewahrt, allen tut es furchtbar leid, und damit ist die Geschichte beendet. Bis zu einem möglichen Playoff-Duell der beiden Teams. Dann wird Handshake-Gate, wie einige US-Zeitungen den Vorfall wenig kreativ betitelten, wieder herausgeholt.

Stille Post in New Orleans

Auch ohne einen Angriff des gegnerischen Coaches kann es an der Seitenlinie gefährlich werden – zumindest Sean Payton von den New Orleans Saints dürfte um diese Erkenntnis reicher sein. Ebenso um eine Meniskus-Operation und ein gebrochenes Schienbein. Die Verletzungen zog er sich beim 20:26 in Tampa Bay zu, als sein eigener Tight End Jimmy Graham ihn nach einem Tackle umrannte. Graham wollte sich in der Halbzeit kleinlaut entschuldigen, Payton zeigte sich jedoch großmütig: "Er kam zu mir und ich wusste gar nicht warum", zitierte in nola.com. "Ihn trifft ja keine Schuld."

Der stets an der Seitenlinie auf- und ablaufende Payton wird sich in den nächsten zwei bis drei Monaten wohl an eine neue Rolle gewöhnen müssen – nämlich an die des Beobachters von der Tribüne. Er wird wohl in der Trainerkabine oben im Stadion Platz nehmen, dafür muss sich Quarterback Drew Brees an eine neue Stimme in seinem Ohr gewöhnen. Gefunkt werden darf nämlich nur von der Seitenlinie aus. Also spielen die Saints ab nun erst einmal Stille Post – Offensive Coordinator Pete Carmichael Jr. wird Paytons Spielauswahl an Brees übermitteln.

Du bist raus: Quarterbacks auf der Bank

Zwei andere Coaches folgten dem Beispiel John Fox von den Denver Broncos, der bei der Niederlage in Vor-Woche gegen die Chargers die Forderung der Fans erfüllt und Kyle Orton durch Tim Tebow ersetzte. Danach folgte die Ankündigung, dass Tebow in Colorado von nun an das Zepter in der Hand hat. Angesichts der zweiwöchigen Vorbereitungszeit wegen des spielfreien Wochenendes zumindest vom Zeitpunkt her richtig.

An Tebow als dem Quarterback für Denver glaube ich erst, wenn ich es wirklich sehe. Wenn man sich so manchen Broncos-Fan anhört, könnte man denken, Tebow kann sogar Wasser in Wein verwandeln. Das mag ja sein, anständig werfen kann er deswegen noch lange nicht. Mister Tebow, sie haben jetzt elf Spiele lang Zeit, mich vom Gegenteil zu überzeugen.

In fast schon guter, alter Tradition folgte Mike Shanahan in Washington dem Beispiel seines Nach-Nachfolgers in Denver. Wie bereits im letzten Jahr, als Donovan McNabb Rex Grossmann weichen musste, nahm der Redskins-Coach beim 13:20 gegen die Philadelphia Eagles seinen Quarterback vom Feld und brachte John Beck. Im Gegensatz zur McNabb-Auswechslung folgte Shanahan übrigens fast nur den Forderungen der Fans, die "We want Beck" skandierten. Nicht ganz zu unrecht, hatte Grossmann doch bereits vier Interceptions auf der Uhr, als er Beck weichen musste.

Die Geschichte so richtig rund machte Minnesotas Coach Leslie Frazier, der McNabb ein Deja-Vu bescherte, als er ihn beim 10:39 in Chicago zugunsten von Rookie Christian Ponder vorzeitig zum duschen schickte. Grund hierfür waren vor allem die fünf Sacks, die McNabb einstecken musste.

Frazier und Shanahan haben sich bis dato übrigens noch nicht entschieden, ob ihre Ersatzleute am Sonntag auflaufen werden. Frazier sollte dies aber tun, McNabb kann diesem Team fast mehr helfen, wenn er Ponders Spiel an der Seitenlinie beobachtet und dem Neuling wertvolle Tipps gibt. Angesichts einer 1:5-Bilanz ist für die Vikings in dieser Saison nichts mehr zu holen. Dann doch lieber Ponder die Spielpraxis geben, denn ihm gehört schließlich die Zukunft des Teams. Für Shanahan gilt dagegen: Auch John Beck, der seit 2007 in der Liga ist und es in der Zeit auf 667 Yards per Pass bringt, ist sicher nicht die Antwort auf Washingtons Quarterback-Problem.

Du bist drin: Palmer als Campbell-Ersatz

Zum Thema Quarterback noch etwas brandheißes: Carson Palmer, der sich weigerte zu den Cincinnati Bengals zurückzukehren und lieber nicht spielen wollte, hat eine neue sportliche Heimat gefunden. Die Oakland Raiders holten den bereits 31-Jährigen als Ersatz für den verletzten Jason Campbell. 

So weit, so gut. Doch was die Raiders für Palmer ausgaben, grenzt ein wenig an grober Fahrlässigkeit, die den gerade erst verstorbenen Al Davis im Grab rotieren lassen müssten. So bekommen die Bengals den Erstrundenpick 2012 von Oakland - sowie deren Erstrundenpick 2013, sollten die Raiders ein Playoffspiel in dieser Saison erreichen. Für die Verantwortlichen des Teams dürfte der Draft im nächsten Jahr damit eine einfache und weniger arbeitsintensive Sache sein - sie haben derzeit gerade noch einmal zwei Picks für die sieben Runden. 

Tops und Flops

Damit zu einer Mini-Ausgabe der Tops und Flops. Über die Packers brauchen wir wieder einmal nicht reden, eine 6:0-Bilanz und eine Halbzeit Anstrengung beim 24:3 sprechen eine deutliche Sprache. Bei den Patriots wackelt zwar die Defense weiterhin, doch mit Tom Brady haben vor allem Coaches mit dem Nachnamen Ryan derzeit ihren Meister. Erst besiegte Brady Coach Rex mit den Jets, jetzt musste Rex-Zwilling und Cowboys-Defensive Coordinator Rob am Ende mitansehen, wie der Quarterback für das 20:16 sorgte.

Dazu kommen die 49ers, die beim Auswärtserfolg in Detroit zwar nicht den schönsten Football zeigten, aber bewiesen, dass sie bei anderen Überraschungsteams gegenhalten konnten. Dazu die Ravens, die ihren eingeschlagenen Kurs beim 29:14 gegen Houston weiterfuhren. Ehrengast in der Top Fünf sind die Cincinnati Bengals, die sich im Schatten der Lions, 49ers und Bills, zu einem 4:2-Team mauserten.

Deren Gegner Colts bleibt mit 0:6 ebenfalls unangefochten in den Flop fünf, ebenso wie die Dolphins, die beim 6:24 gegen die Jets zwar erst die fünfte Niederlage kassierten, doch sich die Woche davor ja ausruhen durften – der Geist der 1:15-Saison 2007 schwebt über Südflorida. Dieselbe 0:5-Bilanz weisen auch die Rams auf, die damit den Bodensatz der Liga komplettieren.

Natürlich dürfen die Vikings auch aufgrund ihrer Quarterbackgeschichte von oben nicht in den Flop Fünf fehlen, zumal sie dem ersten Sieg der letzten Woche eine desolate Vorstellung in Chicago folgen ließen. Ein weiterer Kandidat – und damit ist mein Flopgewinner der Staat Florida mit zwei Vertretern – sind die Jacksonville Jaguars, die mit 13:17 bei den Pittsburgh Steelers verloren.

Sven Kittelmann

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