Ruder-Regatta Henley Nicht ohne Gummistiefel

Von Annette Jacobs, Henley
Nach den versuchten Anschlägen in London galt die Ruder-Regatta in Henley als gefährdet, die Polizei verschärfte ihre Kontrollen. Doch Terroristen wurden nicht gesichtet - die Regatta wäre aus einem anderem Grund beinahe ausgefallen.

Angst vor Terror? Nein, das ist nicht das Problem bei der "Henley Royal Regatta". Für die Besucher von Henley sind die starken drehenden Winde und der seit Tagen anhaltende Regen eine größere Bedrohung als neue arabische "Terror Doctors" - wie die festgenommenen Ärzte nach den versuchten Bombenattentaten in den britischen Medien genannt werden. Zwar sind auch hier die Polizeikontrollen erhöht worden, doch in der 20.000-Einwohner-Stadt wird seit Tagen eher gebannt auf den Pegelstand der Themse gestarrt als auf möglicherweise falsch geparkte deutsche Luxuskarossen.

Hochwasser hätte zum Abbruch einer der traditionsreichsten britischen Ruderregatten geführt - und damit hätte das gesellschaftliche Ereignis des Jahres in dem kleinen verschlafenen Städtchen Henley, dass an einen Krimi von Miss Marple oder Inspector Barnaby erinnert, einen herben Dämpfer hinnehmen müssen. Nach den völlig verregneten ersten Wettkampftagen lässt sich zum Wochenende - dem Höhepunkt der Regattawoche - die Sonne blicken und auch die Themse bleibt in seinem Bett. Und so beginnt das Schaulaufen der Hüte, Federbüschel, teuren Kleider, Maßanzüge und Clubjackets der Rudervereine. Lediglich im Schuhwerk nehmen einige Damen aufgrund des schlammigen Bodens eine kleine Einschränkung hin: Sie tragen ihre Wellingtons, liebevoll Wellies genannt. Zu deutsch: Gummistiefel.

Showcase am Flussufer

"The Royal Henley Regatta" - die erstmals 1839 ausgetragen wurde und 1851 den königlichen Beinamen Royal bekam - ist vor allem ein gesellschaftliches Ereignis. Natürlich werden die Rennen des "Leander Clubs", des "Upper Thamse", des "Remenham" und der "Tideways Sculls" lautstark bejubelt. Der große Vorsprung des deutschen Vizeweltmeisters Marcel Hacker vor seinem Gegner, dem Australier Coombes wird bestaunt und hinterher auf der Ergebnistafel als "easily" eingestuft. So werden alle Ergebnisse bezeichnet, die mit mehr als fünf Längen Vorsprung gewonnen werden. Auf der Themse-Uferseite der Grafschaft "Royal Berkshire" werden die Regatta-Teilnehmer von den Mitgliedern der lokalen Ruderklubs angefeuert, die stolz vor ihrem riesigen Clubzelt sitzen und selbstverständlich einheitlich in Vereinsfarben gekleidet sind.

Häufig geraten die sportlich eher zweitklassigen Regatten aber in den Hintergrund. Sehen und gesehen werden ist bei den Besuchern, die vor allem während der Ruder-Unterbrechungen zur Lunch- und zur Tea-Time am Ufer promenieren, auf beiden Seiten des Flussufers wichtig. Während auf der Seite der Grafschaft "Buckinghamshire", in Hospitality-Bereichen Firmengäste das Ruderspektakel verfolgen, promeniert das gemeine Volk auf der gegenüberliegenden Uferseite, die zur Grafschaft "Royal Berkshire" gehört. Jeder, der in seinem Leben auch nur den winzigsten Sieg davongetragen hat, einem edlen Ruderlub angehört oder sogar einmal Mitglied einer olympischen Regatta war, trägt diese Information gedruckt auf diverse Embleme oder als Stickerei an seinem Revers. Auch wer zur Prominenz gehört, fühlt sich auf dieser Seite zu Hause: Denn der steigt in der Stewarts Enclosure ab, dem VIP-Bereich, in dem streng darauf geachtet wird, dass der Dresscode eingehalten wird: Anzug und Schlips für die Gentlemen und überknielange Röcke für die Ladies. Hüte sind unbedingt erwünscht.

Pimm's und Champagner

Ein britisches Sportereignis wie "Henley" würde diesen Namen nicht verdienen, wenn nicht auch ordentlich gebechert würde. Die "Hooray Henrys" füllen die jungen Ladies mit Champagner und Pimm's ab. "Hooray Henrys", das sind die "gutaussehenden" jungen Männer mit Maßanzug und Siegelring aus traditionell reichen Familien. Sie sind in der Gesellschaft der "Royal Henley Regatta" nicht wegzudenken. Und Pimm's? Das ist das Sommergetränk der Briten: Ein alkoholisierter Obstsalat im Glas. Das Rezept der alkoholischen Grundlage Pimm's, die 1840 von James Pimm erstmals gebrannt wurde, bleibt streng geheim. Gemischt wird das Ganze mit Zitronenlimonade. Der übermäßige Genuss des süffigen Getränks mit 25 Prozent Alkohol lässt schon am hellen Tag den einen oder anderen am Ufer friedlich wegschlummern.

Nach den Rennen werden die Parties in den Ort Henley verlegt. Das historische Städtchen mit den kleinen Backsteinhäusern ist mit vielen bunten Fähnchen geschmückt und jedes Schaufenster hat die schönsten und teuersten Produkte in die Auslage gestellt. Nur einmal im Jahr hat der sonst so verschlafene Ort mit seinen überdurchschnittlich reichen Einwohnern so viele Gäste. Die wenigen Hotels sind seit Jahren ausgebucht und die Pubs und Restaurants machen in dieser Woche das Geschäft des Jahres. Beim Dinner wird darauf angestoßen, dass weder "Terror Doctors" noch der englische Regen das traditionelle Sportevent verhindern konnten.

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