Fried – Blick aus Berlin Kanzler im Hochwasser: Was Gerhard Schröder besser gemacht hat als Olaf Scholz

Bundeskanzler Olaf Scholz in Gummistiefeln beim Besuch der vom Hochwasser betroffenen Ortschaft Oberröblingen
Bundeskanzler Olaf Scholz (l.) besucht Anfang Januar die vom Hochwasser betroffene Ortschaft Oberröblingen
© Hans Christian Plambeck/laif
Hochwasser in Deutschland: Alle erinnern sich an die Gummistiefel von Gerhard Schröder. Sein wahrer politischer Mut zeigte sich aber woanders.

Es gibt gewisse Gründe, warum die SPD mit Gerhard Schröder fremdelt. Allerdings hat der letzte sozialdemokratische Kanzler vor Olaf Scholz hie und da durchaus vorbildhaft regiert. Zum Beispiel, als 2002 zahlreiche Flüsse in Ostdeutschland über die Ufer traten und ganze Orte verheerten, was zufällig in einer Zeit passierte, als Schröder politisch das Wasser bis zum Hals stand. Der Kanzler hat damals eine mutige Entscheidung getroffen – und damit meine ich gerade nicht, dass er in Gummistiefeln durch zerstörte Ortschaften stapfte. Gleich mehr dazu.

Aber die Gummistiefel! Ja, die sind in Erinnerung geblieben. Vielleicht wären Schröders schwarze gar nicht so aufgefallen, hätte Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt nicht leuchtend gelbe angehabt, die den Blick erst auf das Schuhwerk der Politiker lenkten. Mit seinem Auftritt hat sich Schröder damals im Wahlkampf einen Vorteil gegenüber Edmund Stoiber verschafft: Sein Konkurrent weilte auf Juist im Urlaub, während der Kanzler den Kümmerer gab und grimmig durch Grimma stiefelte.

Archivbild von Bundeskanzler Gerhard Schröder und Sachsens Ministerpraesident Georg Milbradt in Gummistiefeln und Regenkleidung
Gerhard Schröder (l.) und Sachsens damaliger Ministerpräsident Georg Milbradt (r.) gehen am 14. August 2002 durch die überfluteten Straßen der sächsischen Kleinstadt Grimma
© Sebastian Willnow/ ddp

Überflutungen gelten als Naturereignisse, an denen politische Karrieren Fahrt aufnehmen oder ihren Scheitelpunkt erreichen können. Helmut Schmidt ist da zu nennen, dem sein Management der Hamburger Sturmflut auch beim politischen Aufstieg in Bonn half. Die Familienministerin Anne Spiegel hingegen verlor 2022 ihr Berliner Amt wegen ihrer Abwesenheit als Landesministerin nach der Ahrtal-Flut. Matthias Platzeck, als Brandenburgs Umweltminister bei der Oderflut 1997 zum Deichgrafen avanciert, vermochte das Oderbruch zu stabilisieren, nicht aber die SPD, deren Chef er später kurzzeitig war.

Übrigens ist die Oderflut ein gutes Beispiel dafür, dass man nicht automatisch Kanzler bleibt, wenn man sich in überschwemmten Regionen blicken lässt: Helmut Kohl besuchte 1997 den Deich in Ratzdorf und wurde trotzdem ein Jahr später abgewählt. Dass das nur daran lag, dass er keine Gummistiefel trug, scheint nicht plausibel. Angela Merkel kreuzte 2013 in Sachsen, Thüringen und Bayern ebenfalls nur in festem Schuhwerk auf und gewann trotzdem wenige Monate später die Wahl.

Scholz versprach Hilfe, doch das Geld im Haushalt fehlt

Womit wir bei Olaf Scholz sind. Der Kanzler besuchte um den Jahreswechsel binnen weniger Tage zweimal Flutgebiete, in Niedersachsen, dann in Sachsen-Anhalt. Erst kam er in Merkel-Schuhen. Die aber waren nicht fest genug, um anderen Vorbildern folgend übers Wasser zu gehen, nicht einmal wenigstens durchs Wasser, weshalb Scholz nicht so richtig ins Gespräch mit Betroffenen kam. Beim zweiten Mal trug er Gummistiefel. Nun aber waren die Betroffenen nicht sehr freundlich zu ihm.

Scholz versprach Hilfe: "Wir werden niemanden allein lassen." Das Problem ist nur, dass es dafür eigentlich kein Geld im Haushalt gibt. Genau hier sind wir wieder bei Gerhard Schröder. Der setzte nämlich 2002 auf die Solidarität der Deutschen und entschied, zur Finanzierung der Fluthilfe eine für 2003 beschlossene Senkung der Einkommensteuer einfach zu verschieben. Zusätzlich bat er die Unternehmen über die Kapitalsteuer zur Kasse. Rund sieben Milliarden Euro brachte das. Und jetzt stellen sie sich mal die Schnappatmung in der FDP, der Union, bei Firmenbossen und womöglich auch bei den Bauern und anderen Geknechteten vor, wenn Olaf Scholz etwas Ähnliches heute vorschlüge.

Gerhard Schröder hat übrigens das Kanzleramt trotz dieser Steuerpolitik 2002 verteidigt. Vielleicht sogar ihretwegen – und nicht wegen der verdammten Gummistiefel.

Erschienen in stern 03/24