"So schlimm wie in diesem Jahr war es bislang noch nicht", sagt Lukas Wilkes. Der 30-Jährige wohnt in Gribbohm, einer 500-Seelen-Gemeinde bei Wacken und blickt aus seinem Fenster direkt auf einen Parkplatz des weltgrößten Heavy-Metal-Festivals.
Seit Tagen regnet es im Kreis Steinburg, fast ununterbrochen und teils sintflutartig. Die Veranstalter des Festivals haben daher am Montag die Notbremse gezogen: Wer kann, soll auf die vorzeitige Anreise nach Wacken verzichten und sich auf dem Weg ein Übergangsquartier suchen, bis sich die Lage gebessert hat (der stern berichtete).
Wacken-Festivalgelände stark aufgeweicht
Denn die Böden der Felder, auf denen die rund 85.000 Besucher campieren sollen, sind vollkommen aufgeweicht. "Das Wasser steht auf den Wiesen und versickert nicht", sagt Wilkes, der als Anwohner kostenlos auf das Gelände darf und sich vor Ort ein Bild von der Lage gemacht hat. "Man versinkt an einigen Stellen so tief im Schlamm, dass er von oben in die Gummistiefel läuft." Nur einige der Campingflächen seien etwas höher gelegen, dort fließe das Wasser einigermaßen ab.
Regen, Matsch und Einlass-Verbot – das ist die Schlammschlacht von Wacken

"Wegen des extrem hohen Regenaufkommens werden wir unter Umständen auch später nicht alle geplanten Campingflächen nutzen können", schreiben indes die Veranstalter. "Damit alle Metalheads unterkommen, bitten wir euch, die verfügbaren Areale möglichst gut zu nutzen und zu füllen."
Aber erst mal müssen die Besucher überhaupt auf das Gelände kommen. "Rund 20 Kilometer rund um Wacken ist der Verkehr fast komplett zum Erliegen gekommen", beschreibt Anwohner Wilkes anhand der Schilderungen Bekannter. Dorfbewohner müssen demnach teils erhebliche Umwege in Kauf nehmen oder deutlich mehr Zeit einplanen, um ihren Alltag zu bewerkstelligen. Die Polizei spricht in einer ersten Zwischenbilanz von einem "Verkehrschaos". Wilkes selbst hat sich für die Zeit des Festivals ins Homeoffice zurückgezogen. Das Verkehrsaufkommen sei in den vergangenen Jahren größer geworden und der 30-Jährige vermutet, das trage dazu bei, dass inzwischen deutlich mehr Musikfans mit Wohnmobilen oder Anhängern anreisen als in der Vergangenheit. "Früher wurde mehr gezeltet."
Anwohner versorgen die Anreisenden
Um jenen, die es bis nach Wacken geschafft haben auf das Festivalgelände zu helfen, seien Landwirte aus der Region im Dauereinsatz, teils seit 20 Stunden. Mit Traktoren ziehen sie die Fahrzeuge einzeln auf die verschlammten Flächen. Festivalbesucher sollten schon mit angeschraubten Abschleppösen in Wacken ankommen.
Trotz aller Widrigkeiten, die das Wacken Open Air 2023 bislang mit sich bringt, sei die Stimmung aber gut, sagt Wilkes – bei Besuchern und Anwohnern. "Wer es bis Gribbohm geschafft hat, weiß das er in ein, zwei Stunden auf dem Gelände sein wird."
Ohnehin seien die Tage des Festivals für die Einheimischen jedes Jahr aufs Neue eine ganz besondere Zeit – dieses Jahr gebe es halt noch extremen Regen dazu. Anwohner versorgten die Anreisenden mit Kaffee oder Stellplätzen und ermöglichten ihnen den Gang auf die Toilette, auch über die sozialen Netzwerke boten viele Menschen den Musikfans ein Zwischenquartier an. Die Macher des Festivals geben sich derweil überzeugt: "Gemeinsam schaffen wir das auch dieses Jahr." Und Wilkes sagt, typisch Norddeutscher: "Alle machen das Beste aus der Lage."