Kundgebung in Ellwangen Cem Özdemir stellt sich den Landwirten: "Kann nicht sein, dass ein Berufsstand strapaziert wird"

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir beschwichtigt die verärgerten Landwirte in Ellwangen (Symbolbild)
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir in Ellwangen: Stufenweise Kürzung sei "ned nix".
© Marijan Murat / DPA
Mit Trillerpfeifen und Buhrufen wurde Cem Özdemir im baden-württembergischen Ellwangen von Landwirten begrüßt. Der Minister gab sein Bestes, sein Image zu richten und die verärgerten Bauern zu beschwichtigen.

Begleitet von Pfiffen, aber auch von Applaus hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) bei einer Bauernkundgebung im baden-württembergischen Ellwangen seine Agrarpolitik verteidigt. Bei dem traditionellen Treffen nahm der Grünen-Politiker für sich in Anspruch, dass die ursprünglichen Kürzungspläne der Bundesregierung abgeschwächt worden seien. "Die Kfz-Steuerbefreiung bleibt, die grüne Plakette bleibt Ihnen erhalten, das haben wir immerhin schon mal erreicht", sagte Özdemir. Dabei bekam er lautstark den Unmut der Landwirte im Ostalbkreis zu spüren. 

"Es kann nicht sein, dass ein Berufsstand über Gebühr strapaziert wird, vor allem ohne dass er vorher Gehör gefunden hat", sagte Özdemir mit Blick auf die Haushaltskonsolidierung der Bundesregierung, die zeitweilig eine Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftliche Maschinen vorgesehen hatte. Deshalb habe er gesagt: "Diese Beschlüsse kann ich so nicht mittragen", sagte Özdemir. Redner in und außerhalb der Stadthalle betonten, das Vertrauen in die Politik sei verloren gegangen.

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Mit Blick auf die von der Bundesregierung inzwischen teilweise zurückgenommenen Subventionskürzungen für die Landwirtschaft betonte Özdemir, dass er sich gleich nach Bekanntwerden der Beschlüsse der Ampel-Spitzen für eine Rücknahme eingesetzt habe. Zugleich forderte er auch von den protestierenden Bauern "Fairness" ein.

Cem Özdemir wirbt für Zusammenarbeit mit den Landwirten

Die Proteste der Bauern, die derzeit im Rahmen einer bundesweiten Protestwoche mit Treckerkonvois und Blockadeaktionen ihrem Unmut Luft machen, entzünden sich aber weiterhin daran, dass die Subventionen beim Agrardiesel schrittweise wegfallen sollen. Hier sei allerdings erreicht worden, dass die Kürzungen "erst in drei Stufen" kämen, sagte Özdemir. Das sei "ned nix", sagte der aus Baden-Württemberg stammende Grünen-Politiker in der Ellwanger Stadthalle, übertönt von einzelnen Buhrufen. Er habe "schon auch etwas durchgesetzt", fügte er hinzu.

Applaus erntete Özdemir für seinen Aufruf für mehr Wertschätzung und gegenseitiges Verständnis in der Debatte. In der Vergangenheit, vor seinem Amtsantritt als Bundeslandwirtschaftsminister, sei eine Politik gemacht worden, "die hieß: billig für den Export – und nicht Qualität", sagte er. Zudem hätten sich "vier Große" den Lebensmitteleinzelhandel untereinander aufgeteilt.

Er sei als Fachminister aber nicht mit einbezogen worden. "Wäre dies der Fall gewesen, wären die Beschlüsse so nicht gekommen", sagte Özdemir. Künftig dürfe so etwas nicht am grünen Tisch entschieden werden. Auch müsse der Berufsverband zwingend einbezogen werden. "Lassen Sie uns das gemeinsam anpacken", sagte er. "Nur so werden wir erfolgreich sein."

Zu der von ihm angestrebten Agrarpolitik hob Özdemir hervor, dass es für "gute Produkte" auch einen angemessenen Preis geben müsse. Wenn es von der Politik Anforderungen an die Landwirtschaft gebe – wie etwa mehr Tierwohl oder mehr Artenvielfalt –, dann müsse die Politik auch die finanziellen Mittel dafür zur Verfügung stellen, sagte er. Außerdem müsse die Stellung der Landwirte in der Wertschöpfungskette gestärkt werden. Auch die Entwicklung von Alternativen zum Agrardiesel brachte Özdemir ins Gespräch.

Minister vor 700 Menschen ausgebuht

Im Zuge von Einsparungen im Bundeshaushalt 2024 soll die Begünstigung beim Agrardiesel schrittweise abgeschafft werden. Bisher können sich Betriebe die Energiesteuer teilweise zurückerstatten lassen - mit einer Vergütung von 21,48 Cent pro Liter. Ursprünglich wollte die Ampel-Koalition die Hilfe sofort ganz streichen. Nun soll es ein Auslaufen über drei Jahre geben.

Özdemir nahm in Ellwangen an einer Bürgerkundgebung in der Stadthalle zum Ende des traditionellen Kalten Markts teil. Der Landwirtschaftsminister sprach zuerst vor mehr als 700 Teilnehmern einer Bauernkundgebung in der Stadthalle. Dann forderte ihn die Menge vor der Stadthalle auf, sich Fragen draußen zu stellen. Dem kam Özdemir nach. Stets wurden seine Worte mit Buhrufen und Trillerpfeifen begleitet. An der Straße entlang der Stadthalle standen laut Polizei rund 600 Traktoren sowie 2500 Landwirte und Interessierte.

DPA · AFP
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