Nach unten hat VW-Chef Bernd Pischetsrieder noch jede Menge Luft: "Der Vorstand muss aus mindestens drei Personen bestehen", heißt es in der Volkswagen-Satzung zum Thema Führung. Die zählt nach dem Abgang von Vertriebsvorstand Robert Büchelhofer im Konzern zwar immer noch acht Köpfe. Doch zu Beginn des Jahres Zwei nach der Ära Piëch mehren sich die Zeichen für einen Wandel. Ob Pischetsrieder den Aktionären bereits auf der Hauptversammlung am Donnerstag in Hamburg mehr verrät, ist offen. Doch die Zeit drängt angesichts schwacher Märkte und eines Berges unerledigter Aufgaben.
Zeit für einen Wandel
"Pischetsrieder malt ein neues Bild von VW", titelte jüngst die «Hannoversche Allgemeine Zeitung» (HAZ). Und mit Sicherheit wird der mächtige Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piëch am Alterssitz im nicht nur an Kunst reichen Salzburg das Werk auf allzu kühne Pinselstriche genau unter die Lupe nehmen: Deutliche Veränderungen könnten falsche Entscheidungen zu seinen Zeiten enttarnen.
Mehrfach-Zuständigkeiten erschweren Führung
Schließlich waren unter Leitung des Österreichers die oft viel zu komplexen Strukturen mit Mehrfach-Zuständigkeiten entstanden, die eine moderne Führung des Konzerns erschweren. So war Büchelhofer nicht nur Konzernvertriebsvorstand, sondern auch für Asien zuständig und lange Zeit bei Audi Aufsichtsratsvorsitzender. Der mit Strategie und Organisation betraute Vorstand Jens Neumann verantwortet außerdem das wichtige Nordamerikageschäft und ist Aufsichtsratsvorsitzender der ertragsstarken Finanztochter VW Financial Services AG.
Organisation kommt unter die Lupe
"Solche Vielfalt sichert die Position, aber nicht unbedingt schnelle, klare und strategische Entscheidungen", kommentierte die HAZ. Und Pischetsrieder hat seit seiner Amtsübernahme mit diversen neuen Koordinierungsausschüssen für die neu gebildeten Markenfamilien um VW und Audi das Dickicht noch undurchdringlicher gemacht. "Wir werden uns die gesamte Organisation anschauen und entscheiden, ob es richtig ist, hier und dort regionale Verantwortungen zu haben und Verantwortungen bei einzelnen Marken", kündigte er aber kürzlich in der «Financial Times Deutschland» Einschnitte an.
Vereinfachung gewünscht
Spekuliert wird deshalb über den künftigen Aufbau des Wolfsburger Konzerns. Denkbar wäre eine pyramidenartige Holdingstruktur, in der der Konzern die Führung der Finanzen, von Planung und Entwicklung sowie Strategie und Einkauf behält. "Wozu braucht man eigentlich Konzernvorstände für Vertrieb und Produktion, wenn die Verantwortung dafür bei den beiden Führungsmarken liegt?" fragt sich ein VW-Kenner. Tatsächlich gibt es bisher keinen Nachfolger für Büchelhofer, dessen Aufgaben Pischetsrieder mit übernommen hat. Und entsprechend nervös reagiert Produktionsvorstand Folker Weißgerber auf Medienberichte, denen zufolge er für manche Panne in Modellanläufen der vergangenen Jahre verantwortlich gemacht wird. Doch anders als Vorgänger Piëch hat Pischetsrieder beim Personal nicht offen die Axt angelegt, sondern setzt bewusst auf einen "kontinuierlichen Prozess". Doch die Politik der langen Leine hat den Bayern letztlich schon bei BMW den Chefsessel gekostet.
Markenschwäche zwingt zum Handeln
Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» jedenfalls erkennt im letztlich von Pischetsrieder provozierten Abgang Büchelhofers steigende Nervosität in der Wolfsburger Führungsetage: "Die Schwächen im Modellprogramm der längst nicht mehr größten Marke in Europa werden in den gegenwärtig mageren Zeiten überdeutlich. (...) Der Blick auf die Verkaufsstatistiken zeigt, dass vor einigen Jahren die falschen Entscheidungen gefallen sein müssen." Auf jeden Fall werden jetzt neue Entscheidungen getroffen. Insofern könnten die jetzt an Piëchs Wohnsitz zu Ende gegangenen Salzburger Osterfestspiele für VW künftig eine ganz eigene Bedeutung bekommen.