Die Bundesbürger müssen sich bald ein paar Nummern weniger merken. Nach einem jahrelangen Durcheinander von diversen Notruf- und Servicenummern für Bank- und Kreditkarten soll es in Deutschland demnächst eine einheitliche Notrufnummer für Kartenverluste geben. Wahrscheinlich unter der 116-116 kann der bestohlene oder unvorsichtige Konsument dann seine Karten sperren lassen und so sein Vermögen schützen.
Sperre: Je schneller, je besser
Die Verbraucherschützer unterstützen die Idee uneingeschränkt: "Zeit spielt ja eine erhebliche Rolle", sagt Maren Geisler von der Verbraucherschutz-Bundeszentrale in Berlin. Sei weist daraufhin, dass der Bankkunde bei den so genannten Debitkarten (früher ec) bis zur Sperre haftet und auch die 50-Euro-Grenze bei den Kreditkarten lediglich auf dem Gutwillen der Emittenten beruht. "Das ist kein gesetzlicher Anspruch, gleichwohl haben die Firmen natürlich ein großes Interesse, dass die Kunden die Karten weiter nutzen."
Die wichtigsten Notrufnummern für Geldkarten
Bislang gibt es keine einheitliche Notrufnummer beim Verlust von Kredit- und anderen Geldkarten. Hier die bislang gültigen Hotlines wichtiger Anbieter:
Debit-Karten (z.B. ec, maestro, BankCards) +49 (0)1805-021021
MasterCard: Inland: 0800-819-1040; Weltweit: 001-314-2756690
VISA: Inland: 0800-814-9100; Weltweit: 001-410-5813836
American Express: +49-(0)69-97977777
Diners Club: +49-(0)69-66166123
Der Bedarf ist nach Einschätzung des Frankfurter Vereins "Sperr e.V." riesig: In Deutschland gibt es rund 110 Millionen Karten mit Bezahlfunktion, von denen im Laufe eines Jahres etwa 4 Prozent verschwinden. Rechne man die 25 Millionen Handys mit unbefristeten Verträgen dazu, die man bei Verlust tunlichst auch sehr schnell sperren lassen sollte, ergibt sich eine Zahl von etwa 6 Millionen Sperrungen pro Jahr. Eine Ausweitung des Sperr-Services auf Karten und Codes etwa von Krankenkassen, Handel, Internet-Unternehmen liegt auf der Hand.
Abwicklung über Call-Center
Der von zahlreichen prominenten Unternehmen der Kommunikations- und Kreditbranche unterstützte Verein mit Bundesinnenminister Otto Schily als Schirmherr an der Spitze will seine unternehmerische Tätigkeit auf ein Minimum beschränken und angeblich keinen Profit erzielen. Nach den Worten Dencks geht es im Wesentlichen um die Vergabe der Aufträge an qualifizierte Call-Center und Telekommunikations-Unternehmen. "Hier in Frankfurt gibt es vielleicht fünf neue Arbeitsplätze. Die übrigen werden irgendwo in den klassischen Gebieten für Call-Center entstehen." Ihre Vorstellungen zur wünschenswerten Notrufnummer mussten die Organisatoren mehrfach überdenken. In der logischen Folge von Polizei 110 und Feuerwehr/Unfälle 112 hätte die 114 gestanden, die aber nicht überall in Europa zur Verfügung gestanden hätte und daher verworfen wurde. Das gleiche Schicksal drohte der 116, weil die EU für sich selbst und ihren Behörden diese Ziffernfolge als europaweit einheitliche Vorwahl sichern will, berichtet Denck. Mit der fast ebenso leicht zu merkenden Doppelung 116-116 scheint nun aber der Durchbruch für eine europäische Lösung geschafft, für die sich auch Visa-Sprecher Marcus Schoene einsetzt. Die Bonner Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) stellte kürzlich ein Vergabeverfahren für diese Nummer in absehbarer Zeit in Aussicht. Bei Sperr e.V. rechnet man mit einem Zuschlag im Herbst und einem Start frühestens zum Jahresbeginn 2005.
Privatbanken haben noch Vorbehalte
Die Hamburger Unternehmensberatung Mummert Consulting hat ein Geschäftsmodell erstellt, das mit etwa 5 Cent pro Karte und Jahr finanziert werden könnte. Nach dem Modell soll sich ein Mensch und auf keinen Fall ein Sprachautomat mit dem gestressten - und in nicht wenigen Fällen betrunkenen - Kunden unterhalten. Nachdem geklärt ist, welche Karten und Codes verloren sind, wird er nacheinander und automatisch mit den Service-Centern der Karten-Emittenten verbunden, die dann die Sperrmeldung annehmen. Eine Vermittlung, hat Mummert errechnet, kostet inklusive Interview etwa 1,60 Euro. Zahlen müssten dies die Karten-Herausgeber und damit letztlich der Konsument. Die Ansprüche der noch zögerlichen Kundschaft bei den Banken sind hoch. "Die technische Umsetzbarkeit muss absolut gewährleistet sein", verlangt nicht nur Commerzbank-Sprecherin Beate Schlosser. Während die Genossenschaftsbanken und Sparkassen schon weitgehend mit im Boot sitzen, gibt es besonders bei den großen Privatbanken noch Vorbehalte. Bei der Deutschen Bank etwa gibt es nach Firmenangaben noch keine Entscheidung über eine Beteiligung an der 116-116. Bei der Commerzbank sehe man das Ganze durchaus positiv, versichert Schlosser. Man wolle sich nun die technische Seite genau ansehen.