Kriminalität Kartendiebe auf Shopping-Tour

Luxus für Lau leicht gemacht: Immer häufiger entwenden clevere Diebe die Bankkarten direkt aus dem Briefkasten. Bis das Opfer den Verlust bemerkt, ist es meist zu spät.

Der Dieb verbrachte die Feiertage luxuriös: Champagner und Kaviar für den Jahreswechsel, dazu einige Designersachen und Klassik-CDs. Als Udo Meier aus dem Skiurlaub zurückkam, hatte der Unbekannte sein Konto um mehr als 300 Euro erleichtert. Etliche Anrufe, viel Ärger und einige Schriftwechsel später dann des Rätsels Lösung: Der Dieb hatte die von der Bank zugesandte Kontokarte des Hamburgers aus dem Briefkasten entwendet. An den Kassen legte er die gestohlene Karte vor und kritzelte eine Unterschrift auf den Bon - nach PIN-Nummer oder Personalausweis fragte ihn niemand.

Kartenklau ist ein Massendelikt

Das Bezahlen mit gestohlener EC-Karte und gefälschter Unterschrift ist ein Massendelikt. Zwar werden die meisten Einkäufe noch immer bar bezahlt, immer häufiger aber nutzen Käufer die einfache Zahlung mit EC-Karte und Unterschrift. Fast 16 Prozent der 360 Milliarden Euro Einzelhandelsumsatz wurden 2001 mit diesem elektronischen Lastschriftverfahren erwirtschaftet, berichtet Horst Rüter vom Euro-Handels-Institut (EHI) in Köln, einer vom Handel getragenen Forschungseinrichtung. Die Ausfallquote habe mit rund 64 Millionen Euro rund 0,1 Prozent des Umsatzes betragen.

Nicht alle Betroffenen erstatten Anzeige

Fast 50.000 Mal nutzten Betrüger dem Bundeskriminalamt (BKA) zufolge im Jahr 2001 das Lastschriftverfahren für eine illegale Shoppingtour - rund 10 Prozent mehr als im Jahr zuvor. «Es erstatten aber bei weitem nicht alle Betroffenen eine Strafanzeige, es sind also nicht alle Fälle erfasst», ergänzt BKA-Sprecherin Birgit Vetter. «Das ist ein Riesenproblem», betont auch Kriminalhauptkommissar Steffen Schmieder von der Polizeidirektion Dresden. «Die Zahl solcher Fälle ist explodiert.»

Lastschriftverfahren für Handel billiger

«Lastschriftverfahren sind im Einzelhandel sehr beliebt, weil sie den Händler fast nichts kosten», erklärt Rüter. Für die Zahlung mit Karte und Geheimnummer (PIN) verlangen die Banken eine Bearbeitungsgebühr von 0,3 Prozent des Umsatzes, mindestens aber 8 Cent. Das Lastschriftverfahren hingegen wird erst im Betrugsfall teuer: Während bei PIN-gestützten Einkäufen im Schadensfall der Kartenbesitzer oder dessen Bank das Risko tragen, bleibt der Händler meist auf seinen Kosten sitzen, wenn ein Betrüger beim Bezahlen nur eine Unterschrift leisten musste.

Keiner merkt, dass die Karte nichts taugt

Für Diebe ist das Lastschriftverfahren eine lukrative Angelegenheit: «Teilweise gehen die auch nach zwei Jahren noch mit der Karte einkaufen, obwohl das Konto schon längst aufgelöst ist», berichtet Finanzjurist Hartmut Strube von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. «Beim Lastschriftverfahren gibt es ja keine Überprüfung durch die Bank, der Verkäufer merkt nicht, dass die Karte schon längst gesperrt ist», erklärt Schmieder.

Banken ziehen PIN-Zahlung vor

Bei Banken ist die kaum Gewinn bringende Methode schon seit Jahren unbeliebt: «Die Bezahlung per Lastschrift ist wesentlich schadensträchtiger als das PIN-Verfahren. Wir finden es den Kunden gegenüber nicht legitim, es trotzdem zu verwenden», betont Kerstin Altendorf, Pressesprecherin des Bundesverbandes Deutscher Banken (BDB). «Es gibt da sehr, sehr viel Ärger für manche Kunden, zum Teil schalten die Händler sogar Inkasso-Unternehmen ein.» Jurist Strube sieht auch die Banken in der Schuld: «Der Kunde soll die Karte immer möglichst dicht am Körper tragen - die Bank aber verschickt ihre Karten einfach so ungesichert mit der Post.»

Handel überwacht Einkäufe

Dass der Handel trotz aller Probleme auf den Einkauf per Unterschrift schwört, basiert auf einer einfachen Rechnung: «Solange die Ausfälle nicht die Kosten für das PIN-System übersteigen, bleibt die Lastschrift für die Händler die attraktivere Methode», sagt Rüter. Um die Zahl der Betrugsfälle einzudämmen, lassen Ladenbesitzer die Käufe ihrer Kunden seit einigen Jahren von speziellen Dienstleistern überwachen.

Typisches Kaufverhalten anonym gespeichert

Im Rechenzentrum der Firma Intercard in Taufkirchen bei München beispielsweise werden täglich Millionen von Einkäufen archiviert. «Die Transaktionen werden anonym gespeichert. Daraus wird das typische Kaufverhalten des Kunden beobachtet», erklärt Wolfdieter Jonen, Leiter des Intercard-Vertriebs. «Bei Abweichungen von Anzahl oder Höhe der Beträge gibt es ein Warnsignal - die Karte wird gesperrt.» Die Zahl der Missbrauchsfälle sei dank des Systems stark eingeschränkt worden. Nur in Einzelfällen wurde eine Karte zu Unrecht gesperrt.

"Kuno" sperrt Karten minutenschnell

Ein ganz anderes Vorsorgesystem hat die Dresdner Polizei im August 2001 eingeführt. Wird in der sächsischen Hauptstadt eine Karte gestohlen und deren Verlust bei der Polizei gemeldet, geht sofort eine Warnmeldung an die Überwachungsunternehmen und die Kassensysteme der Händler. «Innerhalb von Minuten ist die Karte bundesweit gesperrt», erklärt Schmieder, der das «Kuno» genannte System erfunden hat. «Das Verfahren ist rein präventiv, aber unglaublich effizient.» Allein von Januar bis Mai 2002 habe es mit 41 Diebeszügen per Lastschrift 80 Prozent weniger Fälle gegeben als im Vorjahreszeitraum.

Bundesweiter Einsatz fraglich

Berlin hat «Kuno» bereits übernommen, Thüringen und Sachsen wollen das System landesweit einsetzen. Eine bundesweite Einführung von «Kuno» wird es wohl aber trotz der Erfolge nicht so schnell geben. Mit dem kostenlos angebotenen Verfahren würden die Händler unterstützt, die auf die PIN-Abfrage verzichten und stattdessen auf das unsichere Lastschriftverfahren setzen, lautet die Kritik aus den Landeskriminalämtern. Luxus für den Dieb, Ärger für den Kunden - daran wird sich auf absehbare Zeit nichts ändern.