Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat am Freitag Leerverkäufe der Aktien von elf Unternehmen der Finanzbranche vorübergehend untersagt. Das Verbot des Verkaufs von geliehenen Aktien (short selling) gelte seit Samstag 00.00 Uhr bis zum Jahresende, teilte die Bafin in Bonn mit. Es werde laufend überprüft.
Betroffen von dem Verbot sind Papiere von Aareal Bank, Allianz, AMB Generali Holding, Commerzbank, Deutsche Bank, Deutsche Börse, Deutsche Postbank, Hannover Rückversicherung, Hypo Real Estate, MLP, und Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft.
Zuvor hatte bereits die Finanzaufsicht in den USA und Großbritannien sogenannte Leerverkäufe bis auf weiteres verboten. Bei Leerverkäufen geht es vereinfacht gesagt darum, dass ein Investor Aktien verkauft, die er sich geliehen hat. Fällt die Aktie wie erwartet, kann er sie später zu einem günstigeren Kurs einkaufen und zurückgeben. Die Differenz zwischen Verkaufs- und Kaufpreis ist sein Gewinn. Short Seller werden für die Zuspitzung der aktuellen Finanzmarktkrise mitverantwortlich gemacht.
Fatale Folgen für Banken
Die Bafin begründete diesen Schritt mit den jüngsten Entwicklungen an den weltweiten Kapitalmärkten. "In der derzeitigen Marktsituation kann Shortselling Finanzunternehmen in den Untergang treiben", erläuterte BaFin-Präsident Jochen Sanio laut Mitteilung. Dieser Gefahr müsse man konsequent entgegentreten, darin seien sich die Wertpapieraufseher der wichtigsten Märkte einig.
Wie das Bundesfinanzministerium mitteilte, ist nach den jüngsten Entwicklungen an den weltweiten Kapitalmärkten, insbesondere dem Zusammenbruch mehrerer international bedeutender Banken, eine außergewöhnliche Volatilität an den Kapitalmärkten zu beobachten. Diese betreffe vor allem Aktien von Kreditinstituten, Börsenbetreibern, Versicherungsunternehmen und weiteren Unternehmen der Finanzbranche, erklärte Ministeriumssprecher Torsten Albig. Ein Einwirken auf die Marktpreise von Unternehmen der Finanzbranche führe zu exzessiven Preisbewegungen, welche die Stabilität des Finanzsystems gefährden könnten und somit zu erheblichen Nachteilen für den Finanzmarkt führen könnten.
Rechtsgrundlage der Bafin-Entscheidung sei das Wertpapierhandelsgesetz, teilte die Aufsichtsbehörde mit. Danach habe die man Missständen entgegenzuwirken, die erhebliche Nachteile für den Finanzmarkt bewirken könnten. Die BaFin könne "Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, diese Missstände zu beseitigen oder zu verhindern", hieß es.
Politik fordert strengere Regeln
Parteiübergreifend sprachen sich Politiker für eine strengere Regulierung der Finanzmärkte aus. Unions-Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen bezeichnete in der "Frankfurter Rundschau" eine abgestimmte Reaktion mit den wichtigsten Finanzplätzen der Welt als unabdingbar. Jetzt schlage "die Stunde der europäischen Einflussnahme auf die Regulierung des globalen Finanzmarkts".
Auch die FDP will klären, ob die bisher geltenden Finanzmarktregeln ausreichen, um Risiken in den Griff zu bekommen, wie Finanzexperte Carl-Ludwig Thiele sagte. Weder von den Vorständen einzelner Banken, noch von internen Revisionsabteilungen, Wirtschaftsprüfern oder Aufsichtsbehörden seien "Bilanz-Risiken so wahrgenommen worden, wie sie sich jetzt darstellen". "Auch die Aktiva einer Bilanz müssen genauer auf mögliche Risiken abgeklopft werden; hier ist mehr Transparenz erforderlich." Der Wirtschaftsfachmann der Linksfraktion, Roland Claus, empfahl Steinbrück einen Blick in die USA: "Wenn jetzt schon die Regierung in Washington angesichts des fortgesetzten Börsencrashs eine Politik der Regulierung und des starken Staates praktiziert, warum sollte Herr Steinbrück dann die Neokonservativen rechts überholen?"