Berlin gilt in Europa als eine der Städte mit den niedrigsten Immobilienpreisen. Selbst in Moskau oder Prag sind Grundstücke und Häuser deutlich teurer als in der deutschen Hauptstadt. Trotz geringen Wirtschaftswachstums und hoher Arbeitslosigkeit haben ausländische Investoren Berlin nun für sich entdeckt. Vor allem bei US-Amerikanern, Briten und Iren steht das Immobilienangebot derzeit hoch im Kurs. Die Renditen liegen deutlich höher als anderswo in Europa. Zudem spekulieren die Käufer darauf, dass der Aufschwung endlich auch Berlin erreicht.
Neun Milliarden Euro umgesetzt
"Berlin ist gefragt wie nie zuvor", heißt es in Branchenkreisen. Allein im vergangenen Jahr wurden nach dem aktuellen Grundstückmarktbericht der Stadt fast 25.000 Verkäufe registriert und mehr als 9 Milliarden Euro umgesetzt. Deutlich mehr als in den Jahren zuvor, als im Schnitt jährlich etwa 18.000 Verkäufe verzeichnet wurden. Für 2006 werde noch mit einer Steigerung gerechnet.
Während in Berlin der Quadratmeterpreis für ein saniertes Gebäude in den Top-Lagen bei etwa 1500 Euro liegt, müssen dafür in London beispielsweise rund 15.000 Euro hingelegt werden. "Die Situation ist hier wie in London vor gut 17 Jahren, als beispielsweise die Docklands keiner mit der Kneifzange anfassen wollte", berichtet Philipp Tabert vom Immobiliendienstleister Winters & Hirsch. Heute sind die Docklands bei Büromietern sehr beliebt und London der stärkste Immobilienstandort Europas.
Klassische Mietshäuser sind der Renner
In Berlin hat der Boom vor gut zwei Jahren eingesetzt, als die größte Wohnungsbaugesellschaft GSW mit rund 65.000 Einheiten für gut 405 Millionen Euro an einen US-Investor und seine Partner verkauft wurde. "Damit wurde gezeigt, dass hier Immobilien günstig zu haben sind", betont Tabert. In der Folge kamen viele österreichische Interessenten. Heute dominieren Amerikaner und Briten den Markt. Die Fondsgesellschaften kommen aber auch aus Irland, Italien, Frankreich, Spanien und Japan. "Und auch Investoren aus Israel haben Deutschland entdeckt."
Gekauft werden klassische Mietshäuser mit 30 Wohnungen und ein, zwei Läden im Parterre, Wohn- und Geschäftshäuser sowie Wohnanlagen mit bis zu 1000 Einheiten. Aber auch Supermärkte, Shoppingcenter und Einkaufspassagen werden gesucht. Besonders gefragt sind neben den klassischen Innenstadtlagen Charlottenburg, Wilmersdorf und Schöneberg auch Objekte in Kreuzberg. "Die reizvollen Lagen in Mitte sind schon in festen Händen. Hier wird nur noch wenig gehandelt", sagt Tabert. Begehrt sind auch der Prenzlauer Berg und zunehmend Friedrichshain.
Impulse durch neuen Flughafen
Durch den Bau des neuen Großstadtflughafens Berlin Brandenburg International (BBI) in Schönefeld werde auch der Südosten mit Treptow, Köpenick und dem Problembezirk Neukölln interessant. Vom neuen Airport werden ohnehin positive Impulse erwartet, wenn die Investoren direkt ohne Umsteigen in Frankfurt, München oder Düsseldorf in die Stadt einfliegen können. Der Run der ausländischen Investoren auf deutsche Immobilien ist auch andernorts zu beobachten. "Doch Städte wie Salzgitter oder Pforzheim sind im Ausland nicht so bekannt", berichtet Tabert. Oft werden Immobilienpakete geschnürt mit Berliner Objekten als Zugpferd.
Das hoch verschuldete Berlin werde sich mit der Veräußerung seines gesamten kommunalen Wohnungsbestands aber kaum sanieren können. "Berlin verfügt noch über mehr als 250.000 Wohnungen in städtischen Wohnungsbaugesellschaften mit einem Wert von etwa 10 Milliarden Euro, ist aber mit mehr als 60 Milliarden Euro verschuldet", erzählt Tabert. Dresden hatte im Frühjahr mit dem milliardenschweren Verkauf von 48.000 stadteigenen Wohnungen an die amerikanische Investorengruppe Fortress mit einem Schlag seine Schulden losbekommen und für viel Aufsehen gesorgt. In Berlin ist der rot-rote Senat gegen einen Verkauf der landeseigenen Wohnungen.