Im August kann sie die Miete nicht mehr zahlen. Auch in den Monaten danach nicht. Mitte November liegt die Räumungsklage im Briefkasten, zwei Wochen später werden die Schlösser ausgetauscht. Anna Nowak, die ihren richtigen Namen nicht nennen will, und ihre drei Kinder stehen kurz vor Weihnachten auf der Straße, berichtet der "Tagesspiegel" in einem eindrücklichen Text.
Die Geschichte von Anna Nowak zeigt, dass Obdachlosigkeit schnell gehen kann. Und jeden treffen kann. Die junge Polin hatte eine gute Schule besucht, hatte Wirtschaftswissenschaften studiert, hatte einen tollen Job als Projektmanagerin. Sie bekommt zwei kleine Jungen, trennt sich aber von deren Vater. Dann verliebt sie sich neu und kommt für ihn nach Deutschland. Ihre Tochter kommt auf die Welt. Doch auch diese Beziehung zerbricht. 2013 zieht sie von Bautzen nach Berlin, berichtet der "Tagesspiegel", der die Frau begleitet hat.
Für den Neuanfang bekommt die alleinerziehende Mutter von drei Kindern Hilfe. Das Jugendamt greift ihr unter die Arme, eine Sozialpädagogin unterstützt sie bei der Erziehung und im Haushalt. Zuerst geht sie wieder arbeiten - und merkt dann schnell: Das geht nicht. Sie sieht die Kinder nur abends. Sie setzt beruflich aus, nur für ein paar Jahre, denkt sie. "Und dann merkst du, dass du länger in Hartz IV bleibst als geplant", sagt Nowak.
Im Frühjahr 2017 kommt die Frau vom Jugendamt nicht mehr. Anna Nowak ist auf sich gestellt. Es kommen Briefe, von allerlei Ämtern. Die legt sie auf einen Tisch und zieht einen Vorhang davor. Sie will sie später öffnen. Ganz bestimmt.
Noch einmal in die Wohnung
Dann verpasst sie die angekündigten Termine im Jobcenter. Dort werden daher Zuschüsse gestrichen. Anna Nowak verkriecht sich. Sie will weder zum Amt gehen noch die Briefe, Mahnungen, Androhungen lesen. Sie ist depressiv. Es braucht nicht mal ein Jahr, um von einem gesicherten Leben mit schmalem Budget auf der Straße zu landen.
Kurz vor Weihnachten darf Anna Nowak noch einmal in die alte Wohnung und ihr Leben auseinanderschrauben. Mitnehmen kann sie kaum etwa. Also landet alles in blauen Müllsäcken. Kinderklamotten, Möbel, Teppiche, Spielzeug. Bis Februar wohnt sie in einem kleinen Zimmer in einer Notunterkunft. Was dann kommt? Sie weiß es nicht.