Whopper-Villen Pompöse Herrenhäuser als Mogelpackung

"McMansion" heißt das Phänomen der Whopper-Villen in den USA, die die Nachbarschaft verärgern. Das sind Häuser in Leichtbauweise, die aussehen wie pompöse Herrenhäuser.

Selbst im heißen Immobilienmarkt der amerikanischen Hauptstadt war die Blitzentscheidung des eleganten Pärchens beim Besichtigungstermin bemerkenswert. "Sie schauten sich noch nicht mal die obere Etage an", wunderte sich Bing Moore, die ihr Haus in Bethesda bei Washingtons auf dem Markt hatte. Die beiden willigten sofort in den Kaufpreis ein, fast 800.000 Dollar, und das Geschäft war perfekt. Beim Abschiedsfest für Moore, die in eine Seniorenwohnung umzog, rätselten die Nachbarn noch, wie gut die "Neuen" wohl in die lang gewachsene Nachbarschaft passen würden.

Der Schock kam sechs Wochen später - in Form einer Abrissbirne. Innerhalb von Stunden lag das alte Backstein-Häuschen, das Moores Eltern in den 40er Jahren gebaut hatten, in Schutt und Asche. Kurz darauf nahm dort etwas Gestalt an, das die gemütlichen Einfamilienhäuser daneben heute wie Wärterhäuschen aussehen lässt.

Das Haus sieht aus wie ein überdimensionaler Hamburger

Ein zweieinhalbstöckiges Riesenhaus mit vier Meter hohen Decken, vier dicken Säulen vor der Tür und einem mächtigen Dach mit ausgebauten Gauben wurde dort hochgezogen. Es reicht an allen Seiten fast bis an die Grundstückgrenze. Eine japanische Kirsche musste weichen, die üppigen Rhododendronbüsche ebenso. Im einstigen Garten wurden die Platanen gefällt. Das Haus sieht dort aus wie ein überdimensionaler Hamburger auf einem zu klein geratenen Salatblatt.

"McMansion" heißt das Phänomen, sinngemäß am ehesten: Whopper-Villa. Das sind pompöse Bauten in Leichtbauweise aus Holz, die durch gut gemachte dünne Steinverzierungen am Ende aussehen wie ein massiv gebautes Herrenhaus. Nach Angaben der Volkszählungsbehörde ist die durchschnittliche Wohnfläche in 50 Jahren um 105 Prozent auf gut 200 Quadratmeter gestiegen. Vor zwei Jahren hatte schon ein gutes Drittel der neu gebauten Häuser mehr als 222 Quadratmeter, meldete der Bauunternehmerverband NAHB.

Immer mehr Nachbarschaftsvereine machen mobil dagegen. Sie sehen ihre Siedlungen verschandelt und den Wert ihrer eigenen Immobilien sinken. Von San Diego bis Boston formieren sich Aktionsgruppen, die Gesetzeslücken schließen wollen. "Unser Siedlungskomitee schreibt neuen Käufern, dass sie doch bitte den Charakter der Nachbarschaft respektieren sollen", sagt Architekt Mark Kramer aus Bethesda.

"Heute wollen Leute ihren Wohlstand zur Schau stellen"

Er selbst versucht Kunden, die ihn anheuern, zu überzeugen, lieber das Vorhandene auszubauen, als alles abzureißen. "Früher hat man so gebaut, dass die Häuser bescheidener wirken als sie sind, heute wollen die Leute ihren Wohlstand zur Schau stellen."

Nach Protesten von Alteingesessenen hat der Stadtrat von Burbank bei Los Angeles beschlossen, dass Häuser künftig nur noch 50 statt 60 Prozent des Grundstücks bedecken dürfen, der Abstand zur hinteren Grundstücksgrenze wurde auf viereinhalb Meter verdreifacht. In Montgomery County nördlich von Washington will Gemeinderat Howard Denis Gesetzeslücken schließen. Dort ist bislang nur eine maximale Häuserhöhe von zweieinhalb Stockwerken erlaubt - die Höhe der Geschosse ist jedoch nicht festgeschrieben.

Gärten sind ziemlich out

Häuser mit 400 oder 500 Quadratmetern Wohnfläche sind keine Seltenheit mehr. Ankleidezimmer für Sie und Ihn, Kinderzimmer mit eigenem Bad, Küchen, in denen eine ganze Kompanie bekocht werden könnte, gehören bei Neubauten zur Standardausrüstung. Eingangshallen mit freiem Blick ins Dachgeschoss sind kein Privileg der Reichen mehr. Gärten sind ziemlich out. "Wer hat schon Lust auf das ewige Rasenmähen? Und dann die Mücken...", sagt Hedi Keshani, die in einem "McMansion" in Potomac nordwestlich von Washington wohnt.

Die Nachbarn von Bing Moore schauen noch immer fassungslos aufs Nachbargrundstück. "Monströs", meint Mia Kanner. Sie schaut an der Wand zu den fünf Seitenfestern des Nachbarhauses hoch, die direkt über ihrem Garten hängen, und bangt um ihre Privatsphäre. "Wir haben hier gekauft, weil die Siedlung mal Charakter hatte", sagt sie. Dass die neuen Nachbarn beim nächsten Gemeinschaftsgrillabend mit offenen Armen aufgenommen werden, bezweifelt sie.

Christiane Oelrich/DPA