Der Skandal um den digitalen Finanzdienstleister Wirecard ist noch kein Jahr alt, da gerät schon die nächste Bank in die Schlagzeilen: Vor einer Woche meldete die britische Gesellschaft Greensill Capital Insolvenz an. Der deutsche Ableger mit Sitz in Bremen wird bereits seit letztem Sommer wegen möglicher Bilanzfälschungen von der Bundesanstalt für Finanzaufsicht (BaFin) beobachtet.
Jetzt hat die BaFin der Bremer Greensill Bank wegen drohender Überschuldung die Geschäfte untersagt – doch die Entscheidung kommt reichlich spät: Mehr als 50 Städte und Kommunen haben Summen in Millionenhöhe bei der Bank angelegt und nun vermutlich verloren.
Seit Anfang März ist der Skandal nun offiziell. Was weiß man über die Geschäfte der Bank, warum schritt die BaFin nicht schon früher ein und wie geht es jetzt weiter?
Wer steht hinter der Greensill Bank?
Die private Greensill Bank mit Sitz in Bremen ist ein Tochterunternehmen der britisch-australischen Firmengruppe Greensill Capital. Sie ist im Besitz des australischen Milliardärs Alexander Greensill und hat sich auf die Finanzierung von Lieferketten spezialisiert. Unternehmen können über die Bank sogenannte Betriebsmittelkredite beantragen, um die Zeit zwischen Warenbeschaffung und Verkaufserlös zu überbrücken und so beispielsweise Waren im Vorfeld zu finanzieren. Für Privatanleger und Sparer bietet die Bank zudem Einlagengeschäfte an.
Was ist das Problem?
Auf ihrer Homepage präsentiert sich die private Greensill Bank als "hoch kapitalisierte, traditionsreiche deutsche Bank" und warb mit niedrigen Zinsen und Sicherheit um die Kunden. Doch spätestens seit Anfang März ist klar: Sicher sind und waren die Anlagen nie. Am 3. März schloss die BaFin die Bremer Greensill Bank für den Kundenverkehr. Grund war eine drohende Überschuldung. Nun erstattete die BaFin eine Strafanzeige wegen Bilanzfälschung. Vor einer Woche meldete der Mutterkonzern Greensill Capital Insolvenz an.
Mehr als 50 deutsche Städte und Kommunen haben ihr Kapital bei der Bank angelegt. Anlagen im Wert von ungefähr 500 Millionen Euro sind nun verloren gegangen. Auch deutsche Medienunternehmen wie die ARD hatten Anlagen bei der Greensill Bank.
Warum war das Geld nicht gesichert?
Seit der Reform der Einlagensicherungen 2017 werden Geld-Anlagen von Kommunen bei Privatbanken nicht mehr durch den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) geschützt. Droht der Bank eine Insolvenz, gehen die Anlagen verloren. Berichten des Bremer Regionalmagazins buten und binnen zufolge hat die Greensill Bank auf ihrer Internetseite darauf hingewiesen, dass kommunale Einlagen nicht gesichert sind.
Wer ist betroffen?
Bekannt sind mehr als 50 Kommunen und Städte in ganz Deutschland, die ihr Geld bei der Greensill Bank angelegt haben, darunter die Gemeinde Monheim (38 Millionen Euro), die Stadt Osnabrück (14 Millionen Euro) und die Kommune Nordenham (13,5 Millionen Euro).
Auch der NDR hatte Anlagen bei der Greensill Bank. Eigenen Angaben zufolge gilt das Geld aber als gesichert.
Hätten sich die Anleger den Geldverlust ersparen können?
Bereits im August 2020 häuften sich Medienberichte unter anderem von der Nachrichtenagentur Bloomberg, in denen Bedenken am Geschäftsmodell der Greensill Bank geäußert wurden. Das Regionalmagazin buten und binnen verwies im November darauf, dass die BaFin und der Einlagenfonds der Banken die Greensill Bank beobachten. "Die Verantwortlichen in den Kommunen hätten einfach mal googlen müssen – dann hätten sie die alarmierenden Berichte über die Greensill-Bank sofort gefunden", sagt der Finanzjournalist Christian Kirchner des Branchendienstleisters "Finanzszene.net" dem Regionalmagazin buten un binnen.
Warum ist die BaFin nicht eingeschritten?
Angaben der BaFin zufolge wurde die Greensill Bank bereits seit dem Sommer 2020 beobachtet. Zudem habe man eine Sonderprüfung durchgeführt und die Annahme neuer Kundengelder begrenzt. Allerdings beruft sich die BaFin auf die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht. Demnach ist es ihr nicht gestattet, Anleger über eine Sonderprüfung oder aufsichtliche Maßnahmen zu informieren. Anfang März hat die BaFin ein Einlage- und Kreditverbot für die Greensill Bank erlassen und eine Strafanzeige wegen Bilanzfälschung gestellt.
Was bedeutet das für Privat- und Kleinanleger?
Innerhalb der EU sind Bankeinlagen bis zu 100.000 Euro pro Kunde und Bank gesetzlich geschützt. Diese Einlagensicherung umfasst Tagesgeld-, Festgeld- und Girokonten sowie Sparguthaben und Sparbriefe. Neben der gesetzlichen Einlagensicherung gibt es in Deutschland zusätzlich freiwillige Sicherungsmöglichkeiten, damit im Falle einer Insolvenz Beträge in Millionenhöhe vollständig zurückgezahlt werden können. Auch die Verbraucherzentrale gibt Entwarnung und beruft sich auf die Einlagensicherung.
Quellen: buten und binnen, Wirtschaftswoche, Bloomberg, Finanzszene.net