Arbeitskampf Höchste Streikrate seit 14 Jahren

2007 wurde in Deutschland so viel gestreikt, wie seit Jahren nicht mehr. Nicht jedoch bei der Deutschen Bahn, sondern bei einem anderen ehemaligen Monopolisten war der Arbeitskampf am härtesten. Für 2008 ist jedoch eine Entspannung in Sicht, meinen Experten.

Die Streikrate ist in Deutschland auf den höchsten Wert seit 14 Jahren gestiegen. Im vergangenen Jahr fielen rund 580.000 Arbeitstage wegen Streiks aus, wie der Tarifexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Hagen Lesch, der "Frankfurter Rundschau" sagte. Auf den besonders öffentlichkeitswirksamen Arbeitskampf der Lokführer seien dabei aber nur acht Prozent der Ausfalltage zurückzuführen. Am stärksten habe der Ausstand bei der Telekom mit rund 70 Prozent zu Buche geschlagen.

Der fünfwöchige Arbeitskampf richtete sich gegen die Auslagerung von 50.000 Beschäftigten und die Kürzung ihrer Gehälter. Die Streiks konnten zwar Einschnitte nicht verhindern, doch sie bewirkten, dass das Telekom-Management seine Sparpläne abschwächte. "Solche Abwehrstreiks sind ein neues Phänomen", sagte der Tarifexperte. Demnach kämpften die Beschäftigten früher meist für Verbesserungen wie mehr Geld oder kürzere Arbeitszeiten.

In den Abwehrstreiks wehren sie sich hingegen gegen tarifliche Einschnitte wie Gehaltskürzungen oder längere Arbeitszeiten. Lesch sagte der Nachrichtenagentur AP, eine Rolle spiele dabei auch die Tatsache, dass frühere Monopol-Unternehmen wie die Telekom in den Wettbewerb einträten und darauf mit Einschnitten reagierten. Ein weiteres neues Phänomen ist dem Experten zufolge auch die wachsende Zahl von Streiks, zu denen die Berufsverbände aufrufen - wie im Jahr 2007 beispielsweise die Lokführergewerkschaft GDL.

2008 wird weniger gestreikt

Im Vorjahr hatte die Ärzte-Gewerkschaft Marburger Bund den ersten großen Ärztestreik organisiert. Dass sich manche Streiks deutlich länger hinziehen als andere liege auch an ihrer unterschiedlichen Wirksamkeit. So seien beispielsweise im Einzelhandel relativ wenige Beschäftigte gewerkschaftlich organisiert, sagte Lesch. Zudem könnten notfalls andere Arbeitskräfte für streikende Verkäufer einspringen. "Notfalls setzt sich der Filialleiter eben selbst an die Kasse." Anders lägen die Dinge in der Industrie, wo Streiks schnell zu Produktionsausfällen führten. Das sei an den Abschlüssen in der Chemie- sowie der Metall- und Elektroindustrie deutlich geworden.

Für dieses Jahr rechnet Lesch mit relativ kurzen Arbeitskämpfen. "Lohnkonflikte sind nicht so zäh wie Abwehrstreiks", betonte er. Dank der besseren Konjunktur sei diesmal auch eine spürbare Gehaltserhöhung möglich, etwa im öffentlichen Dienst. Auch bei der Bahn sei allenfalls damit zu rechnen, dass die Lokführer noch mal drei oder vier Tage streikten. Denn die Lokführergewerkschaft GDL müsse die Verhältnismäßigkeit wahren, andernfalls könnten Gerichte erneut Streikverbote aussprechen.

AP
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